Die Fährte
Eindruck zu vermitteln, dass diese Sache hier nur zwischen Ihnen und mir spielt. Aber …« Er drückte die Handflächen gegeneinander. »Aber das muss nicht so sein. Gibt es andere, die wissen, was Sie wissen?«
Harry schüttelte den Kopf.
»Also, was wollen Sie? Geld?«
»Nein.«
»Nicht so schnell, Herr Hauptkommissar. Ich bin ja noch gar nicht dazu gekommen, Ihnen zu sagen, was mir diese Information wert ist. Womöglich sprechen wir über hohe Beträge. Wenn Sie beweisen können, was Sie sagen. Und wenn die Bestrafung des Betroffenen in – sagen wir, in privater Regie erfolgen kann, ohne die unnötige Einmischung der Öffentlichkeit.«
»Darum geht es nicht«, sagte Harry und hoffte, dass der Schweiß auf seiner Stirn nicht zu sehen war. »Die Frage ist, was mir Ihre Information wert ist.«
»Was schlagen Sie vor, Spiuni?«
»Was ich vorschlage«, sagte Harry und hielt beide Könige mit einer Hand, »ist ein Remis. Sie sagen mir, wer der Exekutor ist, und ich besorge Ihnen Beweise gegen den Mann, der Anna umgebracht hat.«
Raskol lachte leise. »Das war's. Sie können gehen, Spiuni.«
»Denken Sie darüber nach, Raskol.«
»Brauche ich nicht. Ich vertraue Menschen, die es auf Geld abgesehen haben, nicht auf Kreuzritter.«
Sie sahen einander an. Die Neonröhre fauchte. Harry nickte, stellte die Figuren auf das Schachbrett, stand auf, ging zur Tür und klopfte. »Sie müssen sie gern gehabt haben«, sagte er, wobei er Raskol den Rücken zuwandte. »Die Wohnung in der Sorgenfrigata ist im Grundbuch auf Ihren Namen eingetragen, und ich weiß, wie schlecht es Anna finanziell ging.«
»Ach ja?«
»Da es Ihre Wohnung ist, habe ich der Verwaltung Bescheid gegeben, Ihnen die Schlüssel zu schicken. Sie kommen im Laufe des Tages per Boten. Ich schlage vor, dass Sie die Schlüssel mit dem vergleichen, den Sie von mir bekommen haben.«
»Warum das?«
»Es gab drei Schlüssel für Annas Wohnung. Einen hatte Anna, den anderen der Elektriker. Und den hier habe ich im Nachtschränkchen der Hütte des Mannes gefunden, von dem wir hier reden. Es ist der dritte und letzte Schlüssel. Der einzige, der benutzt worden sein kann, wenn Anna wirklich ermordet wurde.«
Sie hörten Schritte von draußen.
»Und falls das zu meiner Glaubwürdigkeit beitragen sollte«, sagte Harry. »Mir geht es nur darum, meine eigene Haut zu retten.«
Kapitel 22 – Amerika
Durstige Menschen trinken überall. Nehmen wir zum Beispiel das Maliks in der Thereses Gate. Das war eine Hamburger-Bar, die nichts von dem Charme hatte, der dem Schröder immerhin einen letzten Rest von Würde bewahrte. Zwar eilte den Hamburgern, mit denen sie bei Maliks ihr Geld machten, der Ruf voraus, sie seien besser als bei der Konkurrenz, und mit etwas Wohlwollen konnte man auch dem indisch inspirierten Interieur mit dem Bild der norwegischen Königsfamilie etwas, wenn auch etwas Schräges, abgewinnen. Doch es war und blieb ein Fastfoodladen, in dem Menschen, die bereit waren, sich die Glaubwürdigkeit ihres verzehrten Alkohols etwas kosten zu lassen, niemals ihre Bierchen kippen würden.
Harry hatte nie zu dieser Sorte Mensch gehört.
Es war viel Zeit vergangen, seit er zuletzt im Maliks gewesen war, doch als er sich umsah, musste er feststellen, dass noch immer alles unverändert war. Øystein saß zusammen mit seinen Saufkumpanen und einer Frau am Rauchertisch. Ihr munteres Gespräch über Lottogewinne, Lokalpolitik und die moralische Unterbelichtung eines nicht anwesenden Freundes kämpfte gegen den Geräuschpegel aus veralteten Pop-Hits, Eurosport und zischendem Öl an.
»He, Harry!« Øysteins heisere Stimme schnitt durch den Lärm. Er warf die langen, fettigen Haare nach hinten und wischte sich die Hand an der Hose ab, ehe er sie Harry entgegenstreckte.
»Das ist der Bulle, von dem ich euch erzählt habe. Der da diesen Typ in Australien abgeschossen hat. Mitten in die Birne, oder?«
»Sauber«, sagte einer der anderen Gäste, dessen Gesicht Harry nicht sehen konnte, weil er vornübergebeugt über den Tisch hing, während seine langen Haare wie ein Vorhang um das Bierglas hingen. »Weg mit dem Scheiß!«
Harry deutete auf einen freien Tisch, und Øystein nickte, drückte die Zigarette aus, steckte das Päckchen Petteroes in die Brusttasche seines Jeanshemds und konzentrierte sich darauf, seinen vollen Bierkrug ohne zu schlabbern zum anderen Tisch zu bugsieren.
»Lange her«, sagte Øystein und begann sich eine neue Zigarette zu
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