Die Fahrt der Slanderscree
Von dem Skimmer war keine Spur mehr zu sehen. Eben noch hatte er in der klaren Luft gehangen und sie gepeinigt. Jetzt war er verschwunden, zusammen mit seiner hochtechnischen Bewaffnung und Kommunikationsausrüstung sowie seiner Besatzung.
Nun, nicht der ganzen Besatzung. Gerade als Ethan sich nach ihnen umsah, verschwand einer der Tran, die im letzten Augenblick abgesprungen waren, im aufgewühlten Wasser. Der andere klammerte sich an eine kleine Eisscholle und schaffte es irgendwie, sich hinaufzuziehen. Er lag da, triefend naß, völlig verängstigt, atmete schwer und starrte auf das tote Eis, das ihn umgab. Ethan fragte sich, wie lange er es durchstehen mochte. Die Tran konnten zwar extreme Kälte ertragen, aber auf Feuchtigkeit war ihr Metabolismus nicht eingerichtet.
Ta-hoding klammerte sich an die Ruderpinne. »Als nächstes wird es uns holen. Wir sind erledigt, verloren.«
»Wir schwimmen immer noch«, knurrte September, »und sei gefälligst leiser. Das Ding könnte Ohren haben, die so groß sind wie sein Maul.«
Sie warteten, tanzten zwischen Eisschollen und Matsch auf und ab, erwarteten, jeden Augenblick verschlungen zu werden. Es geschah nichts. Nicht in fünf Minuten, nicht in zehn. Eine halbe Stunde später trieben sie immer noch auf dem Wasser.
September richtete sich auf und flüsterte: »Hat jemand von euch irgendwelche Augen gesehen?« Alle schüttelten den Kopf. »Dann kann es nicht sehen, oder falls doch, nicht gut. Arbeitet wahrscheinlich mit Ultraschall oder dem Druck, den andere Wesen erzeugen, wenn sie sich durch das Wasser bewegen, oder es nimmt überhaupt nur Bewegung wahr. Vielleicht haben die Vibrationen des Skimmermotors es nach oben gelockt. Vielleicht weiß es nicht mal, daß wir hier sind.«
»Es könnte inzwischen Kilometer entfernt sein«, meinte Williams hoffnungsvoll.
»Sicher, und es könnte auch sehr schnell wieder hier sein. Also leise, und keine hastigen Bewegungen!«
»Eine Legende«, murmelte Hunnar. »Ein Geschöpf der Hölle.« Er spähte vorsichtig über den Bootsrand, konnte aber nicht tiefer als einen Meter in das dunkle Wasser hineinsehen. »Etwas aus den Tiefen der Erinnerung. Ich hoffe, es bleibt dort. Falls wir es mit solchen Wesen zu tun bekommen, wenn unsere Welt sich erwärmt und das Eis schmilzt, kann ich nur hoffen, daß die Meere auf immer gefroren bleiben.«
»Was sollen wir jetzt tun?« fragte Ta-hoding. »Warum sinken wir nicht in die Mitte der Welt?«
»Wir schwimmen.« Hunnar hatte Schwierigkeiten mit dem ungebräuchlichen Wort. »So wie ein kleiner Chiafbeutel in einer Schale mit Suppe schwimmt.« Er studierte aufmerksam ihre Umgebung. »Wir müssen irgendwie zurück auf das Eis.«
»Was ist mit dem da?« Williams wies auf den erschöpften Überlebenden des Skimmers, der auf seiner Eisscholle lag.
»Was soll mit ihm sein?« höhnte Hunnar. »Soll er einfrieren, soll er verhungern. Er ist schon tot.« Er wandte sich ab und bewegte sich zum Bug. Grurwelk blieb, den Blick starr auf den unglücklichen Tran gerichtet, im Heck zurück.
»Wir könnten paddeln«, schlug Ethan vor, »nur daß wir nichts zum Paddeln haben.«
»Und wir wollen im Wasser keine Vibrationen erzeugen«, erinnerte September ihn. Er wühlte in den Stauverschlägen, bis er gefunden hatte, was er suchte. Dann befestigte er ein Ende des Piki-Pina-Seils an einem Doppelhaken im Bug. Zuerst glaubte Ethan, er wolle irgend etwas mit dem Eisanker anstellen, doch der blieb in seiner Haltung.
»Was hast du vor, Skua?«
September grinste ihn an. »Ist über ein Jahr her, daß ich Gelegenheit hatte zu schwimmen. Ich erinnere mich aber noch, wie das geht.«
Ethan sah ihn ungläubig an. »Wenn du in das Wasser steigst, wirst du erfrieren. Ein Überlebensanzug ist kein Raumanzug. Er ist dazu gedacht, in der Luft zu funktionieren. Außerdem weißt du nicht, ob man mit ihm überhaupt schwimmen kann.«
»Schätze, wir müssen es herausfinden. Eins ist nämlich sicher: Wir können hier nicht einfach rumsitzen. Über kurz oder lang wird sich das Holz vollgesogen haben. Dann werden wir alle schwimmen.« Er wickelte sich das andere Ende des Seils um die Hüfte und zeigte dann nach links.
»In dieser Richtung sind eine Menge größerer Schollen. Wenn ich mich daran abstoßen kann, schaffe ich es bis zum Rand und werde dann versuchen, das Boot heranzuziehen. Wenn wir dann alle auf dem Eis sind und am Seil ziehen, können wir es vielleicht aus dem Wasser bringen. Vergiß nicht, daß es keinen
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