Die Fahrt der Slanderscree
richtigen Rumpf hat. Es ist nicht viel mehr als ein Floß mit Kufen und einem Mast. Nicht annähernd so schwer wie ein wirkliches Boot.« Er hielt einen Fuß ins Wasser.
»Du wirst deine Anzugsysteme überlasten«, sagte Williams. »Das Wasser wird ihn gegen deinen Körper pressen, du wirst die isolierende Luftschicht verlieren. Es wird nichts zwischen dir und dem Material geben, das es heizen könnte. Und wenn am Halsstück Wasser eindringen sollte…«
Er mußte den Satz nicht beenden. Falls das Eiswasser in den Anzug lief, würde das Material nicht mehr außen von innen unterscheiden können. Die Thermosensoren würden die Wassertemperatur als Körpertemperatur interpretieren und entsprechend reagieren. Die Beheizung würde praktisch eingestellt werden, und in dem Wasser unter dem Rettungsboot mußte ein ungeschützter menschlicher Körper innerhalb weniger Minuten an Unterkühlung sterben.
»Keine Angst, Jungchen. Ich war immer ziemlich gut darin, den Kopf über Wasser zu halten.«
Damit ließ er sich, noch immer die Reling umklammernd, in den Teich gleiten, bis er auf Brusthöhe eingetaucht war.
»Wie ist es?« fragte Ethan besorgt.
September antwortete mit einem Lächeln, aber man sah, daß es gezwungen war. »Ich fürchte, es wird ein wenig kühl. Wir werden sehen.« Er atmete tief durch, ließ die Reling los und sackte ins Wasser, drehte sich um und schwamm mit vorsichtigen Brustzügen auf die gut zehn Meter entfernte stabile Eisschicht zu.
Schweigend verfolgten die anderen sein Vorankommen, teilten ihre Aufmerksamkeit zwischen seiner schwimmenden Gestalt und dem dunklen Wasser, das ihn umgab. Würde das plötzliche Vorhandensein von Licht weitere neugierige Bewohner der Tiefen anlocken? September kam voran, er schwamm lautlos und kraftvoll, ohne eine einzige überflüssige Bewegung. Er erreichte die Kante der Eisschicht, ohne daß etwas aus dem Ozean aufgestiegen war.
Das nächste Problem war offensichtlich. September war kein Seehund, der im Wasser so kräftig beschleunigen konnte, daß er sich auf das Eis katapultieren konnte. Die Kante bot herzlich wenig, um sich daran festzuhalten.
Er versuchte es mehrmals, glitt aber immer wieder zurück ins Wasser. Paradoxerweise hätten die Tran, die nicht schwimmen konnten, ihre langen, kräftigen Krallen in das Eis schlagen und so leicht herausklettern können. Septembers Hände aber waren von den Handschuhen seines Anzugs umschlossen.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen griff er ins Wasser und fischte ein treibendes Eisstück heraus. Damit hämmerte er an einer Spalte am Rand des Lochs; wassertretend und sich gleichzeitig mit linkem Arm und linker Schulter abstützend, verhinderte er, daß er abrutschte.
Irgendwie gelang es ihm, einige flache Löcher zu schlagen. Dann zog er sich mit beiden Händen hoch, bis er bäuchlings auf dem Eis lag. Es war Ausdruck seiner Erschöpfung, daß er sich eine Zeitlang nicht rührte, um auf die Gratulationen seiner Gefährten zu reagieren. Das Wasser bildete sofort eine Eiskruste auf der Außenhaut seines Anzugs, der seine Körpertemperatur allmählich wieder normalisierte.
Obwohl das Eis dort, wo er lag, ziemlich dick zu sein schien, krabbelte September noch drei Meter weiter, bis er sicher war, daß es ihn stehend tragen würde. Er stand auf, grub die Füße in eine Vertiefung und lehnte sich zurück.
Unendlich langsam begann das Eisboot sich zu bewegen. Dann setzte September seinen Körper als lebende Seilwinde ein, wickelte das Tau langsam auf und zog das vollgesogene Boot mitsamt Passagieren auf sich zu. Fast eine Stunde verging, bevor der Bug gegen das Ufer stieß.
»Ich gehe als erster«, sagte Williams. »Ich bin der Leichteste.«
»Richtig. Wenn du durchbrichst, schnapp dir das Seil und zieh dich auf Skua zu«, riet Ethan ihm.
Williams nickte, trat behutsam über den Bug und setzte erst den einen, dann den anderen Fuß auf. Das Eis hielt.
»Stabil«, sagte der Lehrer zufrieden. Er ging zu September hinüber und legte sich mit in das Seil. Ethan war der Nächste, dann folgten Hunnar, Ta-hoding und schließlich Grurwelk, die immer noch auf den einsamen Überlebenden blickte, der auf seiner Eisscholle ziellos dahintrieb.
Von ihrem gemeinsamen Gewicht befreit, hatte das Rettungsboot jetzt weniger Tiefgang. Unter Septembers Anleitung zogen sie alle mit voller Kraft an dem Seil, bis Ethan glaubte, seine Arme würden ihm ausreißen. Sobald sie den Bug auf dem Eis hatten, ging es einfacher. Sie ließen aber nicht
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