Die Fahrt der Slanderscree
erwachte leuchtend zum Leben. Das donnernde Röhren der Triebwerke wurde von dem dicken Glas gedämpft. Das Schiff begann sich zu bewegen. Langsam zuerst, dann immer schneller werdend, grub sein hohes Gewicht die Kufen durch das Eis auf das darunterliegende massive Felsgestein. Hinter ihm wandten sich die Angehörigen der Außenpostenbesatzung ab. Der sich monatlich wiederholende Start des Shuttles war nicht aufregend genug, um ihre Aufmerksamkeit länger zu fesseln. Sie plauderten unbeschwert und entspannt, die Gedanken schon wieder bei den tagtäglichen Aufgaben. Ethans Gedanken galten dem außergewöhnlichen Gentleman an Bord des Shuttles, der über ein Jahr lang sein Begleiter und Freund gewesen war, während sie gemeinsam auf dieser gefrorenen Welt ums Überleben gekämpft hatten.
Auf einer Säule überhitzter Luft nach oben getragen, hob das Shuttle vom Ende der Startbahn ab. Ethan folgte ihm mit dem Blick, bis es wie ein verlorenes Blatt im eisig blauen Himmel verschwand. Er starrte in die Weite, bis sich das ferne Donnern des Antriebs verloren hatte. Dann wandte er sich ab.
Es gab eine Menge zu tun. Die Einrichtung einer kompletten Handelsstation würde eine enorme Menge an Papierkrieg erfordern, ganz gleich, wie freundlich die neue Planetarische Kommissarin war. Wenn er sofort damit begann, konnte er vielleicht die Oberfläche ankratzen, bevor die Slanderscree zum Südkontinent aufbrach. Dann mußten spezielle Computerprogramme bestellt, Akten angelegt und Personal angefordert werden. Falls er Glück hatte und alles, was er brauchte, verfügbar war, würde er sich vielleicht in drei oder vier Monaten entspannen können. Und falls er zumindest einige Programme zum Laufen bringen konnte, würde es für Malaikas Untergebene aussehen, als machte er seine Arbeit.
Es würde eine einsame Arbeit werden. Verwaltung und Beaufsichtigung verlangten, daß er vor allem las und keine Hände oder andere Greifwerkzeuge schüttelte. Auch das unterhaltendste Computerprogramm war ein schlechter Ersatz für ein wenig Kameradschaft.
So in Gedanken und Pläne versunken war er, daß er fast in die große Gestalt hineingelaufen wäre, die sich am anderen Ende des Gangs postiert hatte. Sie lehnte am Türrahmen, hatte die Arme gekreuzt und machte ein wütendes Gesicht. Ethan fiel die Kinnlade hinunter.
Er fuhr herum und blickte durchs Beobachtungsfenster. Nein, das Shuttle war nicht zurückgekehrt, noch hatte er sich dessen Abflug eingebildet. Genauso wenig wie er sich die massige, vertraute Gestalt einbildete, die den Durchgang versperrte.
Es war nur gut, daß September als erster sprach, denn Ethan fehlten die Worte.
»Das ist alles deine Schuld, Jungchen.«
Diese Anschuldigung verlangte eine Antwort. »Meine Schuld? Was meinst du damit, meine Schuld? Was ist meine Schuld?« Ethan wies hilflos zurück zum Fenster. Draußen war die Bodenmannschaft in kleinen Fahrzeugen bereits dabei, die Start- und Landebahn für die Ankunft des Shuttles vorzubereiten, das in einem Monat landen würde.
»Warum bist du nicht im Shuttle?«
»Ich bin nicht im Shuttle, weil ich hier bin. Kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, oder?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Skua.«
»Wirklich? Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Wir sprechen darüber, daß meine Anwesenheit hier deine Schuld ist. Das ist doch nicht allzu schwer zu verstehen, oder?« Er entfaltete seine übergroßen Gliedmaßen und stellte sich aufrecht hin. »Das kommt von deinem verwünschten archaischen Verantwortungsbewußtsein. Deiner unschuldsvollen Naivität und deiner ekelhaft einschmeichlerischen Persönlichkeit. Gottverdammt, wenn ich jetzt ‘ne Kanone ziehen und dir deinen dämlichen, grinsenden Schädel wegpusten würde – deine letzten Worte wären eine Entschuldigung für die Kosten des Stromstoßes. Wie kommst du dazu, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, du und dieser gelehrsame Miniatursteinbruch obskurer Trivialitäten und diese tigerzähnigen Pelzbälle, die sich anmaßen, zivilisiert zu sein?«
»Niemand kann einem anderen ein derartig schlechtes Gewissen einreden, Skua. Das hast du ganz allein geschafft.«
»Ach, das ist aber ein markiger Kommentar, ja wirklich. Hier war ich, fix und fertig zur Abreise, und dann muß dieser Zwergknilch Williams kommen und uns zu diesem dämlichen Treffen schleifen. Gefährliche meteorologische Anomalie, am Arsch! Und nun sitz’ ich immer noch auf diesem lausigen Klumpen Schnee fest, weil irgend jemand
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