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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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sprechen kam. Er berichtete, dass seinen letzten Informationen zufolge der Bau des Militärlagers gute Fortschritte machte und es nicht mehr lange dauern konnte, bis die Freiwilligentruppe, welche beizeiten die Besetzung Friedrichsburgs übernehmen würde, dort zum ersten Appell antrat.
    »Den Befehl wird General Henry Hopkins Sibley übernehmen«, verkündete Beaulieu . »Sie haben von ihm gehört?«
    Levi rümpfte kaum wahrnehmbar die Nase. »Allerdings. Haben Sie keinen anderen?«
    »Wir werden uns mit ihm zufriedengeben müssen. Die Konföderation kann momentan kaum einen ihrer Generäle entbehren«, meine der Südstaatler fast entschuldigend.
    Ihm war anzumerken, dass auch er über diese Wahl nicht glücklich war. Dennoch bemühte er sich, den General zu verteidigen: »Bedenken Sie bitte, dass Sibley kürzlich von einem Militärgericht von allen Vorwürfen bezüglich seines gescheiterten Feldzugs in New Mexico freigesprochen wurde. Das belegt seine Qualitäten.«
    »Es belegt eher die Nachsichtigkeit des Gerichts. Nun gut, sei das, wie es wolle. In unserem Unternehmen kann er ohnehin nichts verkehrt machen. Er hat ja nichts weiter zu tun, als an der Spitze seiner Soldaten in Friedrichsburg einzurücken und möglichst eindrucksvoll die Konföderierten Staaten von Amerika zu repräsentieren«, resümierte Levi abfällig.
    »Dennoch – wenn ich übermorgen in Savannah bin, verschaffe ich mir nicht nur einen persönlichen Eindruck von den dortigen Vorbereitungen, sondern auch vom Charakter des Generals«, kündigte Beaulieu an. »Wir wollen ja nicht, dass er der Konföderation Schande bereitet, wenn der große Tag gekommen ist.«
    »Sehr umsichtig«, bestärkte Levi ihn in diesem Entschluss. »Nun, vielleicht darf ich die Gentlemen ins Haus bitten? Ich habe Erfrischungen vorbereiten lassen.«
     
    Weaver ließ die Peitsche durch die Luft zischen und trieb die Pferde mit einem berstenden Knall an.
    »Was bildet sich dieser impertinente
Kike
eigentlich ein!«, schnaubte er. »Ich war für die Zusammenstellung der Truppe zuständig. Diese Selbstherrlichkeit ist unerträglich. Er hätte mich fragen müssen! Und mir dann noch ein Duell anzudrohen! Das wird er bereuen!«
    »Ich kann gut verstehen, dass Sie sich über den Juden ärgern. Aber lassen Sie sich zu nichts hinreißen. Wir brauchen ihn noch«, mahnte Beaulieu . Der Südstaatler, durchgerüttelt von der rasenden Fahrt über die zerfurchte Piste, klammerte sich noch um einiges fester an die Seitenwand der Kutsche.
    »Wenn der Tag kommt, an dem wir ihn nicht mehr brauchen, sollte er beten, dass sein Jehova ihm beisteht«, presste Weaver mit zusammengebissenen Zähnen hervor und holte zu einem weiteren Peitschenhieb aus.
     
    * * *
     
    Alvin Healey fühlte sich elend. Nie zuvor in seinem gesamten Leben hatte er so bestialisches Kopfweh ertragen müssen. Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste. Auch nicht, dass seine Zunge, die Mundhöhle und der Rachen schmerzten, als bestünden sie nur noch aus rohem Fleisch. Nein, weitaus mehr litt er darunter, sich wie ein hirnloser Hornochse vorzukommen.
    Den tonnenschweren Kopf in die Hände gestützt, saß er hinter seinem Schreibtisch und gab gelegentlich ein jämmerliches Stöhnen von sich, wenn das Geräusch eines draußen über das Straßenpflaster rumpelnden Fuhrwerks sich in seine überreizten Ohren bohrte wie ein glühender Schürhaken. Vor sich hatte er ein großes Glas Natronlösung stehen, die seinem gequälten Schädel ein wenig Linderung verschaffen sollte.
    Ausgerechnet Georg Täubrich hatte ihn am Vormittag nach Hause zurückgebracht und ihm geschildert, was am Abend zuvor geschehen war. Eine schlimmere Demütigung, als sich vor den Augen Amalie von Rheines so abgrundtief zu blamieren, konnte er sich nicht vorstellen. Und das alles haarklein von seinem Kontrahenten im Kampf um die Gunst der schönen Lehrerin beschrieben zu bekommen, war wie eine bösartige Pointe zu dieser grausamen Geschichte.
    Healey führte das Glas an die Lippen und trank einen Schluck. Das Natron brannte scheußlich im Mund und schmeckte überdies grauenvoll. Dann öffnete er mit unsicheren Fingern das Pillendöschen, das Doktor Täubrich ihm dagelassen hatte, entnahm eine der weißen Kugeln und würgte sie hinunter. Das Medikament sollte schmerzstillend wirken, doch der Effekt war lächerlich gering.
    Eine Weile hatte Healey am Rande düsterster Verzweiflung gestanden, weil er fest überzeugt gewesen war, sich nach seinem

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