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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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dass die silbernen Behälter mit Tinte und Streusand erzitterten, und fuhr den Major aufgebracht an: »Ja, sind Sie denn noch bei Trost? Wie konnten Sie so dumm und unüberlegt handeln?«
    Pfeyfer versuchte sich zu rechtfertigen; doch er wusste, dass er auf verlorenem Posten stand. Er konnte nicht preisgeben, was ihn tatsächlich zu seinem Vorgehen veranlasst hatte. Also blieb ihm nur, zu seiner Verteidigung vage Ausflüchte vorzubringen: »Herr General, ich darf Ihnen versichern, dass ich guten Grund hatte, den Hinweis als absolut glaubwürdig einzuschätzen, und –«
    »Ihr Urteilsvermögen muss getrübt sein«, schnitt der General ihm harsch das Wort ab. »Wissen Sie eigentlich, was Sie angerichtet haben? Als Stümper und Amateure haben Sie die Armee erscheinen lassen, bis auf die Knochen blamiert haben Sie uns!«
    »Es lag nicht in meiner Absicht, Herr General –«
    »Das wäre ja auch noch schöner! Himmelherrgott, man könnte fast meinen, Sie hätten absichtlich einen solchen Zirkus aufgezogen, damit auch ja die ganze Stadt davon erfährt! Sogar Journalisten sind davon angelockt worden. In zwei Tagen liest man davon in den amerikanischen Zeitungen und wird sich in Hohn und Spott über uns ergehen!«
    Der Major traute sich nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben. Ihm war bewusst, dass alles, was er in dieser Situation sagen konnte, unweigerlich falsch sein würde. Ein bitterer Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet; als er zu schlucken versuchte, spürte er schmerzhaft, dass sein Rachen vollkommen trocken und rau war.
    »Wenn Sie nicht das Vertrauen Seiner Hoheit besäßen, würde ich Sie für diesen unfassbaren Fehlschlag, mit dem Sie das Ansehen der preußischen Armee und des Staates beschädigt haben, disziplinarisch belangen«, ließ ihn der General in schneidendem Tonfall wissen. »Aber so muss ich mich darauf beschränken, Ihnen einen strengen Verweis zu erteilen. Und fortan werde ich von Ihnen keine Eigenmächtigkeiten mehr dulden. Haben Sie das verstanden? Sie unterlassen jegliche Alleingänge, Major!«
    Heiser bestätigte Pfeyfer: »Ich habe verstanden, Herr General.«
    Adalbert von FliegenderSchwarzer-Adler fixierte den Major noch einmal mit einem stechenden Blick, dann erteilte er ihm in barscher Eisigkeit den Befehl zum Wegtreten.
    Pfeyfer schlug die Hacken zusammen, machte kehrt und marschierte stramm aus dem Raum. Auch im Vorzimmer, unter den Augen des Adjutanten, vermochte er noch den Schein zu wahren. Doch sobald er auf dem Korridor stand und sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, musste er sich an der Wand abstützen, um nicht einfach entkräftet zu Boden zu stürzen.
    Ihm war furchtbar zumute.
     
    * * *
     
    Jeremiah Weaver ließ die Peitsche knallen. Rücksichtslos trieb er das Zweiergespann aus Rappen an, das seine offene Phaeton-Kutsche zog. Die unzähligen Schlaglöcher und Buckel des ausgewaschenen, zerfurchten Weges, der sich zwischen bräunlich brachliegenden Feldern und verstreuten Ansammlungen nacktstämmig aufragender Fichten schlängelte, ließen den Wagen unentwegt poltern und beben.
    Neben dem massigen Verleger saß Charles Beaulieu recht beengt auf dem Kutschbock. Mit einer Hand hielt er seinen breitkrempigen weißen Strohhut fest, mit der anderen klammerte er sich an die Seitenwand.
    »Wir sind um Haaresbreite einer Katastrophe entgangen«, übertönte Weaver missgelaunt das Rumpeln der Kutsche. »So weit konnte es nur kommen, weil Oberst Kolowrath darauf bestand, das Lagerhaus nicht bewachen zu lassen!«
    »Er war damit völlig im Recht. Der Oberst konnte außerdem unmöglich voraussehen, dass der aufgeblasene Nigger von den Gewehren erfährt«, verteidigte Beaulieu die Entscheidung des Österreichers.
    Weaver zerrte an den Zügeln; die Pferde schwenkten scharf nach links, die Kutsche holperte in rasender Fahrt um eine enge Wegbiegung. »Schön, dann hatte er recht. Aber wer zur Hölle hat diesem gottverfluchten Pfeyfer alles verraten? Healey vielleicht?«
    »Healey als Verräter? Dafür fehlt dieser jämmerlichen Gestalt doch die Traute«, wandte der Südstaatler ein. »Nein, es wird tatsächlich ein Spitzel unter den Hafenarbeitern gewesen sein, der heimlich eine der Kisten geöffnet hat.«
    »Wie gerne würde ich den Bastard in die Finger kriegen!«, knurrte Weaver mit zusammengebissenen Zähnen und zwang die Pferde mit drei heftigen Peitschenknallen in rascher Folge, noch gehetzter dahinzujagen.
    Beaulieu s Hand suchte immer verkrampfter Halt, doch nichts in

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