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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Schiffes waren vollzählig an Deck angetreten, um ihre Dienstherren zu empfangen. Einer der anwesenden Männer fiel jedoch aus dem Rahmen, ein Mann mit dunklem Backenbart und Mantel nach englischem Schnitt. Er erweckte Beaulieu s Aufmerksamkeit, da er schon seiner Kleidung nach unzweifelhaft nicht zur Besatzung gehörte und sich ein wenig abseits hielt. Erst nachdem der Kapitän alle Schiffsoffiziere einzeln vorgestellt hatte, trat auch der geheimnisvolle Unbekannte vor, lüftete den Zylinder und stellte sich dem Südstaatler und dem Verleger in fehlerlos formuliertem, doch von kantiger deutscher Lautfärbung durchdrungenem Englisch vor.
    »Mr. Beaulieu , Mr. Weaver, ich bin hocherfreut. Mein Name ist Weintraub. Wir haben, sofern ich mich nicht sehr täusche, in Herrn Kolowrath einen gemeinsamen Freund.«
    »Sie täuschen sich keineswegs, Sir«, bestätigte Beaulieu , wobei er höflich den Hut zog, und Weaver tat es ihm gleich. »Oberst Kolowrath berichtete mir, dass ein Gentleman von größtem Geschick und absoluter Verlässlichkeit für den Erwerb und die Überführung dieses Schiffes Sorge tragen würde. Ich darf annehmen, dass Sie besagter Gentleman sind.«
    »So ist es. Aber falls Sie gestatten, möchte ich anheimstellen, dass wir diese vertrauliche Unterhaltung in etwas kleinerem Kreise fortführen«, meinte Weintraub.
    Beaulieu verstand den Hinweis. Gewisse Dinge durften nicht im Beisein Außenstehender erörtert werden. Er wandte sich an die Offiziere, versicherte sie seines Dankes sowie seiner Anerkennung und kündigte ihnen an, sämtliche Fragen bezüglich ihres neuen Dienstverhältnisses und der künftigen Aufgaben des Schiffes zu einem späteren Zeitpunkt mit ihnen zu besprechen.
    »Sir, es ist meine Pflicht, Sie schon jetzt respektvoll darauf hinzuweisen, dass auf Weisung von Mr. Weintraub ein Großteil unserer Mannschaft in New York entlassen wurde«, merkte der Kapitän noch schnell an.
    Selbst seine britische Zurückhaltung vermochte nicht völlig zu verbergen, dass er wegen dieser Maßnahme, die ihm ganz eindeutig missfiel, einen Groll gegen Weintraub hegte. »Wenn wir nach der Reparatur wieder in See stechen sollen, haben wir keine Stewards, keine Köche, nicht einmal Kabinenjungen. Unter derartigen Bedingungen wird es unmöglich sein, auch nur ein Dutzend Passagiere zu befördern.«
    Beaulieu lächelte hintergründig, entgegnete aber nichts. Als Paton merkte, dass seine Warnung keinerlei Reaktion hervorrief, kräuselte er irritiert die Augenbrauen, wagte aber nicht, den prekären Zustand noch eindringlicher darzulegen. Das Schweigen seines Gegenübers bereitete ihm sichtliches Unbehagen. Er legte rasch die Hand an den Mützenschirm und entfernte sich, und mit ihm die übrigen Schiffsoffiziere.
    Weintraub vergewisserte sich, dass niemand auf dem weiten Deck nah genug war, um lauschen zu können. Dann erst sprach er weiter: »Nun, Gentlemen, da wir endlich alleine sind, können wir uns den wirklich bedeutsamen Angelegenheiten widmen.«
    »Sollten wir nicht warten, bis Oberst Kolowrath auch eintrifft?«, gab Weaver zu bedenken.
    Weintraub schüttelte den Kopf. »Mein geschätzter Freund und Kollege wird sich von diesem Schiff fernhalten. Niemand soll ihn hier sehen, darf es doch keinerlei Verbindung zwischen dem vorgeblichen preußischen Geheimpolizisten Krüger und der
Great Eastern
geben. Nicht einmal ich werde ihm begegnen. Selbstverständlich wird er von mir einen umfassenden Bericht erhalten, ehe ich in einigen Tagen mit dem nächsten Paketdampfer nach Europa abreise. Wenn Sie mir nun in meine Kabine folgen möchten, wo ich alle für die Übergabe notwendigen Dokumente vorbereitet habe.«
    »Einen Moment noch, Sir! Was ist mit dem Leck?«, verlangte Weaver zu wissen und unterstrich seine Worte mit einer ausgreifenden Geste, die auf das in leichter, doch unübersehbarer Schräglage befindliche Deck hinwies. »Sie haben bislang kein Wort über die notwendigen Reparaturen verloren. Immerhin ist der Rumpf erheblich beschädigt.«
    »Der äußere Rumpf, Sir«, korrigierte ihn Weintraub. »Die innere Hülle hingegen ist gänzlich intakt und selbst für sich alleine genommen stärker als der Rumpf jedes anderen Schiffes auf allen Meeren. Ich konsultierte in New York mehrere Experten, welche mir übereinstimmend versicherten, die
Great Eastern
könne in ihrem gegenwärtigen Zustand ohne gravierende Einschränkungen den Ozean befahren.«
    Beaulieu blieb skeptisch. Die Vorstellung, Baumwolle von

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