Die Fahrt des Leviathan
stand die Ankündigung, dass alle deutschsprachigen Weißen binnen sechs Wochen das Land unter Zurücklassung ihrer gesamten Habe zu verlassen hatten. Die Schwarzen und Mulatten hingegen wurden mit sofortiger Wirkung zu Sklaven in Staatseigentum erklärt. Unter diesen Bestimmungen prangten die Namen von Jeremiah Weaver und Charles Beaulieu , die als Governor und Lieutenant Governor von South Carolina firmierten.
»Diese klaren Worte werden ihre Wirkung auf die Menschen hier nicht verfehlen«, sagte Kolowrath zustimmend, um dann mit hintergründigem Amüsement anzumerken: »Ich sehe, Sie nehmen die schwere Bürde auf sich, selbst an die Spitze des Staates zu treten.«
»Wir gehorchen der Pflicht und der Notwendigkeit. South Carolina wird der entschlossenen Führung bedürfen, und dieser Aufgabe stellen wir uns«, erwiderte der Verleger mit einer Ernsthaftigkeit, die leichte Verstimmung über Kolowraths etwas süffisante Feststellung durchklingen ließ.
»Sie haben natürlich voll und ganz recht«, bestätigte der Oberst ihm. »Nicht viele dürften in Zeiten des Umbruchs willig diese Last akzeptieren. Würden Sie mir dieses Plakat überlassen, gewissermaßen als Souvenir?«
Weaver versagte sich dieser Bitte nicht, und nachdem Kolowrath ihm seinen Dank für die Gefälligkeit ausgesprochen hatte, ging er hinüber an den Schrank, um eine Flasche Wein auszusuchen, mit dem sich auf die
Great Eastern
anstoßen ließ.
Draußen hatten sich derweil regenschwere Wolken vor die Sonne geschoben. Die ersten Tropfen fielen vom Himmel und trafen dumpf trommelnd auf das Schindeldach der Veranda.
Die Klientel des
American-Saloon
war vielgestaltig. Zwischen den so unterschiedlichen Gästen fiel daher auch der vierschrötige Mann im regennassen karierten Mantel nicht auf, als er den Saal betrat. Obwohl Sean O’Higgins mit flammend rotem Haar und gebrochener Nase beileibe kein Dutzendgesicht aufwies, war er keinem der Anwesenden auch nur einen desinteressierten flüchtigen Seitenblick wert, als er zielstrebig zwischen den Tischen hindurchging.
O’Higgins nahm den tropfenden Hut vom Kopf und dankte im Geiste dem heiligen Patrick dafür, noch halbwegs glimpflich dem nun erst richtig einsetzenden Regen entkommen zu sein. Nichts ekelte den bulligen Iren mehr an als das Kratzen und Zwicken vollkommen durchweichter Kleidung am ganzen Körper.
Er begab sich zu der Tür am entfernten Ende des Saals, die zum Hinterzimmer führte. Nachdem er sich noch einmal argwöhnisch umgesehen hatte, um sich zu vergewissern, dass niemand ihm von draußen gefolgt war, klopfte er leise dreimal an. Die Tür tat sich auf und er schlüpfte schnell hindurch.
»Sie kommen spät, Mr. O’Higgins«, bemerkte Benjamin van Bloemendaal missbilligend, während er die Tür sofort wieder schloss.
»Bitte um Verzeihung, Gov’nor«, entschuldigte sich der Ire. »Aber die Straßen sind alle höllisch voll mit Leuten, die das verdammte Schiff sehen wollen.«
Der Raum, der normalerweise für Zusammenkünfte von Vereinen oder private Feiern genutzt wurde, war bis auf die beiden Männer leer. Der amerikanische Konsul setzte sich an den langen Tisch und bedeutete O’Higgins, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
»Ich habe einen neuen Auftrag für Sie und Ihre Männer«, eröffnete van Bloemendaal, nachdem der Ire sich gleichfalls niedergelassen hatte.
Sogleich grinste O’Higgins erfreut. »Mit dem allergrößten Vergnügen, Gov’nor. Wird aber nicht sofort gehen, die meisten meiner Leute sind noch drüben in Georgia unterwegs. Woraus sollen wir diesmal Kleinholz machen? Ein Bahndepot oder die Plantage eines gottverfluchten Rebellen?«, erkundigte er sich mit frisch entflammtem Eifer. Zweierlei auf der Welt hasste er abgrundtief: Engländer und Südstaatler. Die Engländer verabscheute er, weil sie seit Jahrhunderten Irland unterjocht hielten. Obwohl er schon vor fünfzehn Jahren die alte Heimat auf der Flucht vor dem Hunger verlassen hatte, erinnerte er sich noch sehr deutlich an die arroganten Landlords, die ihre Pächter wie Leibeigene behandelten. Und an die Dragoner, die unbarmherzig Jagd auf jeden machten, der es wagte, sich gegen die Unterdrückung zur Wehr zu setzen. Den Südstaatlern wiederum wünschte er Pest und Cholera an den Hals, weil sie den Engländern so ähnlich waren. Wäre es ihm möglich gewesen, er hätte jedem Sklavenhalter eigenhändig die Kehle durchgeschnitten.
»Nein, Mr. O’Higgins«, entgegnete van Bloemendaal. »Es geht, wie Sie sich
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