Die Fahrt des Leviathan
auszudrücken beliebten, um das verdammte Schiff.«
Das Restaurant
Zum americanischen Präsidenten
zählte zu den ersten Etablissements Friedrichsburgs. Um diesen Umstand augenfällig zu machen, schmückten dezent platzierte Porträts die Wände. Sie zeigten alle Gäste von Rang und Namen, die dort bereits zu speisen geruht hatten. So fanden sich hier neben zahlreichen anderen auch die Bildnisse des Namenspatrons George Washington, der dem Haus während seines Besuchs in Karolina im Jahre 1794 die Ehre gegeben hatte, Alexander von Humboldts, Jenny Linds und natürlich Christian von Pfeyfers. Allen Dargestellten gemein war das wohlwollende Lächeln, mit dem sie auf die Gäste hinabblickten, als wollten sie ihre lobende Zustimmung zur Wahl des Restaurants zum Ausdruck bringen.
Über den Tisch, an dem Amalie von Rheine und Georg Täubrich saßen, wachte Prinz Adalbert von Preußen. Jedoch nahm keiner der beiden Notiz vom lebensnahen Konterfei des Admirals.
Jedes Mal, wenn Amalie das Weinglas zum Mund führte, sah Täubrich unweigerlich auf ihr Handgelenk. Dann nagte an ihm, dass er noch immer keine Möglichkeit gefunden hatte, ihr das Armband zu schenken, das sie so bewundert hatte. In den letzten Tagen hatte er bei acht Banken vorgesprochen und um einen Kredit ersucht. Erst an diesem Vormittag war er deswegen im Bankhaus Pearson vorstellig geworden. Doch keiner der Bankiers hatte sich willens gezeigt, ihm die benötigten fünfhundert Thaler zu leihen. Amalie gegenüber hatte er seine heimlichen Bemühungen natürlich nicht erwähnt, und er glaubte, auch seine Niedergeschlagenheit vor ihr verbergen zu können.
»Bedrückt Sie etwas, Georg?«, erkundigte Amalie sich besorgt.
»Nein, nein, ganz und gar nicht«, beteuerte der Arzt rasch und versetzte sich in Gedanken eine Ohrfeige dafür, seine Empfindungen wohl doch nicht gut genug kaschiert zu haben. »Ich dachte nur über das nach, was Sie mir bezüglich ihres Verdachts erzählt haben.«
»Vielleicht hätte ich nicht davon sprechen sollen. Es ist gewiss der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt, ein so ernstes Thema zu erörtern.«
»Nein, Amalie. Es ist nie falsch, etwas Wichtiges zur Sprache zu bringen«, versicherte Täubrich. »Und wenn, wie Sie und Fräulein Heinrich argwöhnen, die
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tatsächlich den Kriegsanstrengungen der Konföderierten dienen soll, dann ist das überaus bedeutsam.«
»Dann werden Sie mir gewiss nachsehen, wenn ich Sie um eine Gefälligkeit bitte«, meinte Amalie lächelnd.
Täubrich konnte nicht widerstehen und versprach: »Was immer Sie wünschen, dürfen Sie bereits als erfüllt betrachten.«
Die Lehrerin legte die Finger um den Stiel ihres Glases, besann sich dann aber eines anderen und zog die Hand wieder zurück. Stattdessen beugte sie sich ein wenig vor und sagte mit gesenkter Stimme, um die Vertraulichkeit ihrer Worte zu unterstreichen: »Sie erwähnten einmal, dass Jeremiah Weaver einer Ihrer Patienten ist. Setzen Sie uns bitte, bitte über jede unbedachte Äußerung, die er in Ihrer Gegenwart tut, in Kenntnis. Jedes seiner Worte, erscheint es oberflächlich betrachtet auch noch so unverdächtig, könnte im rechten Zusammenhang betrachtet Aufschluss über seine und Beaulieu s wahre Absichten geben.«
Erschrocken zog der Doktor die Augenbrauen in die Höhe. »Amalie! Das dürfen Sie nicht von mir verlangen! Ich bin durch den hippokratischen Eid zu Verschwiegenheit verpflichtet.«
Amalie umfasste seine Hand und blickte ihm fest in die Augen. »Es mag Sie überraschen, aber ich kenne den Wortlaut des Eids, Georg«, sagte sie leise, doch eindringlich. »Dort heißt es auch:
Rein und fromm will ich mein Leben führen.
Wie wollen Sie dem gerecht werden, wenn Sie sich dem Bösen nicht in den Weg stellen?«
Das Böse!
Täubrich spürte, dass etwas in ihm ins Wanken geriet. Nie hatte er Weaver, den er so häufig wegen der Folgeerscheinungen maßloser Völlerei behandeln musste, als Repräsentanten des Bösen gesehen. Für ihn war der Verleger, obwohl er um dessen abscheuliche Ansichten wusste, stets eher eine Witzfigur gewesen. Nun plötzlich begriff er, wie falsch er damit gelegen hatte, wie blind er gewesen war. Dennoch tat er sich nicht leicht, eine Entscheidung zu fällen. Sein Gewissen war gespalten in zwei heftig widerstreitende Seiten.
»Sie haben recht«, antwortete er schließlich. »Ich werde Sie über Weavers Bemerkungen in Kenntnis setzen. Wenn ich dadurch beitragen kann, den Sieg der Sklavenhalter auch
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