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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Potsdam oder sonst einem leichter erreichbaren Ort zu erproben?«
    »Mir steht nicht zu, die Sinnhaftigkeit der Entscheidungen übergeordneter Stellen anzuzweifeln«, stellte der Major entschieden klar, setzte dann aber in etwas leiserem Ton hinzu: »Doch ich weiß, dass von Hahn, der Generalinspekteur der Artillerie, nur Bronzerohre gelten lässt und Stahlgeschütze strikt ablehnt. Auch gegen gezogene Läufe hat er – aber nein, die Einzelheiten würden zu weit führen. Ich denke, die Geschütze wurden hergebracht, damit man sie außerhalb seines Gesichtskreises prüfen kann, da ihn sonst seine festen Überzeugungen sicherlich zu Protest gegen die Erprobung veranlassen würden.«
    »Wie oft wurde meine Haltung als weibliche Unvernunft und Launenhaftigkeit abgetan, wenn ich einmal beharrlich meine Ansichten vertrat?«, kommentierte Amalie sarkastisch. »Äußerst interessant, dass man einem Mann, der nicht von seinem Standpunkt abweicht, stattdessen feste Überzeugungen attestiert.«
    Pfeyfer versuchte eine Erwiderung auf diese scharfzüngige Bemerkung zu finden, doch bevor ihm etwas Passendes einfiel, unterbrach Rebekka Heinrich seine Überlegungen.
    »Apropos Überzeugungen, Herr Major. Ich wurde eingeladen, am kommenden Sonntag auf einer Versammlung zu sprechen. Ich möchte Ihrer Bitte entsprechen und das Manuskript meiner Rede zuvor mit Ihnen durchgehen.«
    »Sie erleichtern mir dadurch meine Aufgabe ungemein, wofür ich Ihnen aufrichtig dankbar bin«, beteuerte er. »Wenn es Ihnen recht ist, komme ich gleich am morgigen Abend vorbei.«
    »Bemühen Sie sich nicht, ich werde mich zu Ihnen begeben. Schließlich bereite ich Ihnen schon genug Umstände«, entgegnete die Direktorin lächelnd und unterstrich ihre Worte mit einem Augenaufschlag, der jeden Gedanken an Einwände unmöglich machte.
    Mit einem Anflug von Verlegenheit räusperte Pfeyfer sich. »Natürlich, ganz wie Sie wünschen. Dann erwarte ich Sie morgen gegen sieben.«
    Rebekka und Amalie wünschten dem Major, dass die kostbaren Geschütze mit seiner Hilfe wohlbehalten ihren Bestimmungsort erreichen mögen, und nahmen dann Abschied von Pfeyfer, der nochmals die Hacken knallen ließ.
    Er blickte den beiden Frauen nach, und für einen Moment kreuzten eigenartig widersprüchliche Gedankenfragmente sein Bewusstsein. Doch dann ließ ihn ein lautes Krachen hinter seinem Rücken zusammenzucken. Er fuhr herum und sah, dass der Dampfkran die Kanone unsanft auf dem Pflaster abgesetzt hatte.
    »Passen Sie doch auf, Sie Tölpel!«, herrschte er den Maschinisten an. »Wissen Sie überhaupt, wie teuer so ein Sechspfünder ist?«

17. Dezember
    Der Ladeninhaber entnahm den Revolver der schlichten Holzschatulle. »Mit dem Colt Armeemodell 1860 treffen Sie eine ausgezeichnete Wahl, mein Herr«, versicherte er. »Eine robuste und akkurate Waffe, vielfach bewährt. Sie bedarf nur wenig Pflege, auch bei häufigem Einsatz.«
    »Ich werde sie nicht oft verwenden«, meinte Bob knapp. Er ließ sich den langläufigen Colt reichen und umfasste den glatt polierten Holzgriff. Ein eigentümliches Gefühl durchströmte ihn, als er das Gewicht der Waffe in der Hand spürte.
    Nacheinander holte der Verkäufer die einzelnen Teile des Zubehörs aus der Schatulle und reihte sie vor sich auf dem Tresen auf, damit sein Kunde sich von der Vollständigkeit und dem einwandfreien Zustand aller Utensilien überzeugen konnte. »Es ist meine moralische Verpflichtung, Sie auf die besondere Verantwortung hinzuweisen, die der Besitz einer Feuerwaffe mit sich bringt«, mahnte er dabei eindringlich. »Bitte lassen Sie sich nicht zu leichtfertigem Umgang mit diesem Revolver verleiten.«
    Bob betrachtete die Waffe in seiner Hand und ließ die Fingerspitzen über den metallisch kalten Lauf des Colts gleiten. Er blickte kurz auf und entgegnete: »Ich benötige ihn ausschließlich zur Selbstverteidigung.«
     
    * * *
     
    Wilhelm Pfeyfer entfuhr ein Stoßseufzer, nachdem er die letzte Seite des Redemanuskripts hinter sich gebracht hatte. Er ließ das Blatt sinken und fragte kummervoll: »Wieso müssen Sie so etwas sagen?«
    »Auf welche meiner Forderungen beziehen Sie sich?«, erwiderte Rebekka, die ihm am Kamin des Salons gegenübersaß. Zwischen den Sesseln stand auf einem Tischchen eine schnörkelreich mit Rosen und Ranken dekorierte Kaffeekanne aus Meißner Porzellan nebst zwei zugehörigen Tassen, die mittlerweile geleert waren.
    »Auf alle! Konstitutionelle Beschränkung der königlichen Befugnisse,

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