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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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natürlich! Das ist brillant, einfach brillant. Die Katastrophe wird die ohnehin schwelende Kriegsmüdigkeit ungeahnt anschwellen lassen. Die Regierung muss dann einfach umgehend Frieden schließen, will sie nicht hinweggefegt werden. Lincoln kann von Glück reden, wenn man ihn nur aus dem Amt jagt.«
    »Der Untergang New Yorks bedeutet den Sieg des Südens«, bestätigte Beaulieu und kehrte ans Fenster zurück. »Ein Sieg, der unseren gemeinsamen Interessen die Erfüllung bringt. Sobald uns die Meldung über die Ankunft der
Great Eastern
in New York erreicht, wissen wir, dass der Triumph der Konföderation nur noch eine Frage von Stunden ist. Wir nehmen wie geplant den Kronprinzen als Geisel, das Regiment aus Georgia besetzt Charleston – und wenn am nächsten Tag mit New York auch der Kriegswille der Yankees in Rauch aufgegangen ist, ist alles erreicht, was wir uns erträumen!«
    Jeremiah Weaver war hin und her gerissen zwischen der verlockenden Großartigkeit des neuen Plans und ängstlicher Besorgnis: »Aber was ist mit Jefferson Davis? Und auch General Lee wird den Angriff auf das neutrale Preußen im Leben nicht gutheißen.«
    »Dann ist es ratsam, sich beider zu entledigen«, empfahl Kolowrath. »Sie selbst regten vorhin ein Attentat auf Präsident Davis an. Was spricht dagegen, zwei Attentate in Szene zu setzen, beide ausgelöst durch die Nachricht vom Eintreffen der
Great Eastern?
So vermeiden wir lästige Ungelegenheiten mit jenen Gentlemen.«
    »Nein, nein, nein!«, platzte Leutnant Levi heraus. »Selbst wenn man die – die Schrecklichkeit dieses Unterfangens außer Acht lässt, bleibt es immer noch monströs! Wir reden hier von neuntausend Tonnen Schießpulver. Neuntausend! So viel kann man unmöglich zusammenbringen.«
    »Man kann. Und sogar in kürzester Zeit«, stellte Kolowrath im Tonfall ruhiger Überzeugung richtig. »Wichtiger ist die Frage, ob so eine Explosion tatsächlich die erstrebte Gewalt haben kann. Wie lautet Ihre Einschätzung, Herr Levi?«
    Der Leutnant verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg trotzig. Entnervt von diesen moralischen Anwandlungen verdrehte Oberst Kolowrath die Augen. Er richtete eine eilige Entschuldigung an Beaulieu und Weaver, nahm den widerstrebenden Levi beiseite und wechselte außer Hörweite einige Worte mit ihm. Als sie zurückkehrten, wirkte der Leutnant erheblich zugänglicher.
    »Bitte um Vergebung für die Unterbrechung, Gentlemen«, entschuldigte sich der Österreicher. »Es ist mir gelungen, Herrn Levi davon zu überzeugen, dass er einer guten Sache dient, die unglückseligerweise halt gewisse Opfer verlangt.«
    Durch ein Nicken zeigte der Leutnant Einverständnis mit Kolowrath und erklärte, jetzt wieder mit der professionellen Ungerührtheit eines Berufssoldaten: »Was die Sprengkraft anbelangt: Im Jahre 1654 detonierten in Delft vierzig Tonnen Pulver. Fünfhundert Häuser wurden zerstört, 1200 Menschen getötet. Neuntausend Tonnen heutigen Schießpulvers, auf einen Schlag gezündet in einem eisernen Schiffsrumpf, der wie eine riesige Granate wirkt, würden meiner Schätzung zufolge eine Druckwelle erzeugen, die im Umkreis von fünf Meilen jedes Gebäude vernichtet und auch darüber hinaus noch erhebliche Schäden verursacht. Hinzu kämen zusätzliche Verheerungen durch explodierende Gasleitungen und Brände. Wie hoch ist die Einwohnerzahl Manhattans?«
    »Rund achthunderttausend«, gab Weaver Auskunft; sein Stimme zitterte hörbar.
    »Ich danke Ihnen, Sir. Dann dürfen wir also mit etwa einer halben Million Toter und Verletzter rechnen.«
    Der Verleger keuchte auf. »Gott, mein Gott! Ist das denn wirklich nötig?«
    Strafend blickte Beaulieu ihm geradewegs ins Gesicht: »Mein verehrter Mr. Weaver, wollen Sie Ihre Heimat lieber auf ewig unter dem Joch der preußischen Tyrannen belassen? Ist es das, was ich Ihren Freunden und Mitkämpfern ausrichten soll?«
    Von einem neuerlichen Schweißausbruch heimgesucht, schüttelte Weaver hastig den Kopf. »Aber nein, keineswegs. Ich bin – es ist nur –«
    »Dann ist ja alles in bester Ordnung«, schnitt Kolowrath ihm den Satz ab. »Ich werde alle notwendigen Arrangements treffen. Wir brauchen aber auch noch einen neuen Kapitän.«
    Beaulieu gab zu verstehen, dass er den richtigen Mann für diese große Aufgabe kannte. Kein Seeoffizier des gesamten Südens, so versprach er, sei besser geeignet als Augustus Hendricks, der sich zudem günstigerweise in Savannah aufhielt.
    Wenzel von Kolowrath zog ein

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