Die Fahrt des Leviathan
bekommen, damit ich ihn für die Demütigung im Bahnhof büßen lassen kann.«
Weaver zückte einen Bleistift und ergänzte die Liste um eine Randnotiz. »Das sollte sich arrangieren lassen. Ich habe ja ohnehin vorgesehen, dass jedes Regierungsmitglied hundert der in Staatsbesitz übergehenden Neger als Sklaven zugewiesen erhält. Pfeyfer wird unter den Ihren sein, dafür sorge ich«, versprach er. »Mit meinen Niggern erfülle ich mir den lang gehegten Traum von einer eigenen Baumwollplantage. Und wie gedenken Sie Ihre hundert Sklaven zu verwenden?«
»Ich werde sie töten«, antwortete Beaulieu emotionslos.
Weaver hüstelte. »Sir. Ich vermag Ihre Auffassung von Humor nicht zu teilen.«
»Das war durchaus kein Scherz«, stellte der Südstaatler klar. Er griff nach einer Brandyflasche und füllte sein Glas, wobei er ungerührt weitersprach: »Ich beabsichtige, jeden einzelnen dieser hundert schwarzen Dreckshunde eigenhändig zu töten.«
»Aber … das können Sie doch nicht tun«, protestierte der Verleger entsetzt.
Beaulieu sah ihm direkt in die Augen. Sein Blick war hart und stechend. »Doch, ich kann. Und ich werde. Ich will Rache.«
Er stürzte den Brandy in einem Zug hinunter, bevor er mit hassgetränkter Stimme fortfuhr: »Die Nigger auf meiner Plantage haben mein Haus angezündet, als ich fort war. Meine Frau und meine Tochter sind bei lebendigem Leib darin verbrannt. Das sind keine Menschen wie wir. Das sind tollwütige Tiere, die ganze gottverfluchte Niggerrasse. Darum werde ich sie töten.«
Weaver erschauderte, kalte Schauer liefen ihm durch den Leib. Er wollte etwas sagen, fand aber nicht den Mut, auch nur den Mund zu öffnen.
»Einigen werde ich eigenhändig die Kehlen durchtrennen. Andere sollen verbrennen, am besten die Niggerhuren mit ihrer Brut«, eröffnete Beaulieu seine Absichten. Nur das zwölfmalige Schlagen der Kirchturmuhr, das gedämpft durch Fensterglas und schwere Samtvorhänge drang, hielt ihn davon ab, weiter ins Detail zu gehen.
»Es ist spät geworden«, sagte er und erhob sich. »Bitte bemühen Sie sich nicht, Sir. Ich möchte Ihnen keine Umstände bereiten. Eine angenehme Nachtruhe und ein frohes Weihnachtsfest.«
Beaulieu verneigte sich kurz und verließ den Raum.
Jeremiah Weaver blieb allein zurück, bleich und starr.
24. Dezember
»Etwas weiter rechts vielleicht«, schlug Carmen Dallmeyer vor.
»Sie haben leicht reden«, entgegnete Amalie von Rheine, die freihändig auf einem Stuhl balancierte und versuchte, eine bunte Papiergirlande am Deckenleuchter zu befestigen. Nachdem es ihr endlich gelungen war, kletterte sie erleichtert hinab auf den festen Boden.
»Ach, das ist wunderschön geworden«, sagte Carmen mit einem entzückten Seufzer, als sie den fertig geschmückten Salon betrachtete. »Wirklich, Sie haben ein Händchen dafür.«
Das Urteil der Oberlehrerin überraschte Amalie ein wenig. Eigentlich war ihr die eigenwillige karolinische Art, Räume weihnachtlich zu dekorieren, keineswegs vertraut. Farbenfrohe Girlanden, Luftschlangen und Lampions aufzuhängen, als handele es sich um einen Faschingsball, hatte sie anfangs sogar sehr befremdet. Mittlerweile aber fand sie Gefallen daran. Alles wirkte weniger weihevoll, dafür aber ungleich fröhlicher als daheim. Und auch, dass der prachtvolle Weihnachtsbaum in der Mitte des Salons nicht mit den gewohnten Figuren aus Pfefferkuchen, sondern mit rot und weiß geringelten Zuckerstangen behängt war, fand sie durchaus ansprechend.
Rebekka Heinrich kam mit einer großen gläsernen Schale herein. Sie stellte das Ungetüm auf dem Buffet ab und erklärte Amalie mit wissendem Grinsen: »Für die Bowle nach meinem Geheimrezept. Sie wird Ihnen bestimmt sehr zusagen.«
»Aber Herrn Healey sollten wir tunlichst von dem Teufelsgebräu fernhalten«, warf Carmen lachend ein.
»Ich freue mich, dass er unsere Einladung angenommen hat«, meinte Amalie, wobei sie den Karton mit den Christbaumkugeln öffnete. »Ich denke, er braucht Gesellschaft. Der Arme macht auf mich immer so einen schrecklich einsamen, melancholischen Eindruck.«
Mit Fingerspitzen nahm Carmen vorsichtig eine der Kugeln, ein besonders schönes rot glänzendes Exemplar, aus dem schützenden Wattebett. »Ich frage mich wirklich, warum er so ist.«
»Das wüsste ich auch gerne«, meinte Rebekka, während sie die bereitstehenden Flaschen mit Alkoholika unterschiedlichster Art und Herkunft inspizierte. »Doch nachdem ich ihm inzwischen recht oft begegnet bin, habe
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