Die Fahrt des Leviathan
ihrer aufgeblasenen Nigger ein schmachvolles Ende zu setzen!«
Erneut erhielt der Verleger begeisterten Beifall. Als er den Anwesenden dann noch eröffnete, dass General Sibley die Soldaten des in Savannah liegenden 62. Georgia -Freiwilligenregiments ohne Schwierigkeiten überzeugt hatte, ihn und Beaulieu zu ihren Colonels zu wählen, wurde er mit Gratulationen überhäuft.
»Also werden Sie sogar die stolze graue Uniform des Südens tragen können, wenn der große Tag da ist. Oh, ich beneide Sie, alter Freund«, versicherte ihm Robert LaGrange, wobei er ihm kräftig die Hand schüttelte. »Haben Sie denn vor, von Ihrem guten Recht dann auch Gebrauch zu machen?«
Weaver nickte lebhaft, so dass die Massen seines glänzenden Kopfes in Bewegung gerieten. »Mr. Beaulieu wird unsere Uniformen von seinem ausgezeichneten Schneider fertigen lassen. Wir müssen ihm nur einen Ballen hochwertigen Stoffs zur Verfügung stellen, da dergleichen ja in der Konföderation mittlerweile kaum noch erhältlich ist. Zu schade, dass ich in den Friedenszeiten nach dem Triumph wohl nie wieder Gelegenheit haben werde, den Offiziersrock anzulegen.«
»Sagen Sie das nicht, Sir!«, erhob David Crompton, der doggengesichtige Chefredakteur von Weavers Zeitung, die Stimme. »Der Süden wird sich noch zahllose Siege auf die Fahnen schreiben! Wer soll die Konföderation aufhalten, wenn sie sich Mexiko einverleiben will, Guatemala, Nicaragua? Ganz Mittelamerika könnten unsere grauen Regimenter mühelos unterwerfen, weil König Baumwolle an ihrer Spitze marschiert!«
Von der Kraft dieser Vision überwältigt, geriet Weaver unwillkürlich ins Schwärmen: »So wie Edward A. Pollard es schon vor Jahren vorhersagte … ein tropisches Imperium unter südstaatlicher Herrschaft, mächtig und glänzend wie keines je zuvor. Ein Imperium, welches die edle Zivilisation der Südstaaten zu strahlender Blüte bringt. Ein Imperium, das der Welt Baumwolle und Zucker nach Belieben großzügig schenkt oder strafend vorenthält … ein Imperium für die Sklaverei!«
»Ein Imperium für die Sklaverei!«, wiederholten die NeitherNors in spontanem Enthusiasmus mit hoch erhobenen Gläsern im Chor.
Da klopfte es an der Tür. Sofort verstummten alle und Weaver forderte zum Hereinkommen auf. Sein Butler – ein Weißer, da der Verleger sich nie der Zumutung ausgesetzt hätte, einen Schwarzen für Arbeit entlohnen zu müssen – trat ein und wies darauf hin, dass es nur noch wenige Minuten bis Mitternacht waren und die meisten Gäste sich bereits zum Betrachten des Feuerwerks in den Garten begeben hätten.
»Alsdann, Gentlemen, gesellen wir uns zu ihnen«, sagte Weaver frohgemut. »Wir wollen das neue Jahr, das so viel Großes für uns bereithält, mit der ihm zustehenden Aufmerksamkeit begrüßen.«
* * *
Wilhelm Pfeyfer saß allein in seinem Dienstzimmer. Das Gaslicht hatte er gelöscht, da ihm jegliche Verschwendung zuwider war. Nur die Petroleumlampe auf seinem Schreibtisch spendete ein gedämpftes gelbliches Licht.
In dieser Nacht musste er in Bereitschaft bleiben. Es gab berechtigte Befürchtungen, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte, wenn die Menschen alkoholisiert von den Silvesterfeiern heimkehrten. Der kleinste Zwischenfall konnte dazu führen, dass sich die vergiftete Atmosphäre in einem vernichtenden Gewittersturm entlud. Vorerst war es zwar ruhig, doch es hatte auch noch nicht Mitternacht geschlagen. Pfeyfer würde erst beruhigt nach Hause gehen, wenn er sicher sein durfte, dass außer einigen gewöhnlichen Prügeleien nichts vorgefallen war.
Sollte die Nacht ereignislos verlaufen, wie er hoffte, hätte er die Stunden dennoch sinnvoll genutzt. Im Schein der Schreibtischlampe studierte er einen ausfaltbaren Längsschnitt der
Leviathan.
Wenn er den Giganten mit einem einzigen Schuss tödlich verwunden wollte, durfte er sich nicht auf sein Glück verlassen. Pfeyfer glaubte, den idealen Punkt für den Einschlag der Granate gefunden zu haben. Dennoch suchte er unermüdlich weiter. Er wollte absolut sicher sein, dass es keine bessere Stelle für den fatalen Treffer gab.
Zwischendurch lehnte er sich für einen Moment zurück und rieb sich die Schläfen. Sein Kopf war schwer, aber nicht vor Müdigkeit. Es war vielmehr der Gedanke an die Endgültigkeit dieses Schrittes, der ihm felsenschwer auf die Seele drückte. Was erwartete ihn danach? Lebenslange Festungshaft war ihm gewiss. Vielleicht schloss man ihn auch bis zum Ende seiner Tage in ein
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