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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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frischte auf, dunkel aufgetürmte Wolken verhießen baldigen Regen. Aber solange es nicht unbedingt nötig war, wollte er nicht unter Deck gehen. Mit den Armen stützte er sich auf die Bordwand und versuchte abzuschätzen, in welcher Richtung Westsüdwest lag.

Friedrichsburg
    Es war noch fast dunkel im Schlafzimmer. Die Morgendämmerung setzte gerade erst zaghaft ein, nur eine verhaltene Ahnung von Licht drang durch das Fenster.
    Die Nacht war kühl gewesen; Rebekka und Pfeyfer lagen dicht beieinander unter der dicken Daunendecke.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte er.
    »Keine geringe Leistung für einen Soldaten«, entgegnete sie schnippisch und rückte näher an ihn heran.
    »Rebekka, bitte! Mir ist wirklich nicht nach deinen kleinen Sticheleien zumute. Es geht um eine wichtige Sache«, machte er ihr sehr ernst klar. »Heute um halb elf erstatte ich dem Kronprinzen Bericht. Dann werde ich ihn auf die Gefahren hinweisen, die von der
Leviathan
ausgehen, und versuchen, ihn zum Eingreifen zu bewegen.«
    Rebekka schlug die Decke ein Stück weit zurück, setzte sich auf und strich das zerwühlte Haar aus der Stirn. »Du meinst demnach, Georg wird scheitern.«
    »Ich hoffe zu verhindern, dass es überhaupt so weit kommt. Eine heute Abend mit dem Postdampfer abgehende Depesche nach Berlin würde noch beizeiten eintreffen. Wenn die
Leviathan
Hamburg nicht mehr verlässt, bringt ihre Fracht der Konföderation keinen Nutzen – und Doktor Täubrich muss kein selbstmörderisches Wagnis eingehen.«
    »Einen Versuch ist es wert«, urteilte Rebekka nach kurzem Überlegen. Sie stand aus dem Bett auf, erschauderte wegen der Kälte und hüllte sich eilig in den bereitliegenden Morgenmantel. »Schon alleine Amalies wegen dürfen wir diese Möglichkeit nicht ungenutzt lassen. Sie leidet fürchterlich. Und ich möchte nicht, dass sie Schwarz tragen muss, noch bevor sie Weiß getragen hat.«
    Pfeyfer rieb sich die Augen, um den milchigen Schleier zu beseitigen, den der Schlaf hinterlassen hatte. »Gelingt es mir aber nicht, den Kronprinzen zu überzeugen … was tun wir dann?«
    »Vielleicht könnte Doktor Täubrich schaffen, was er sich vorgenommen hat. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie ihn bei dem Versuch ergreifen und töten«, prophezeite Rebekka düster. Sie trat vor den Waschtisch. Aus der hohen Porzellankanne goss sie einen Schwall Wasser in die eingelassene Emailleschüssel, wobei sie weitersprach und mit jedem Wort mehr in Rage geriet. »Kehrt die
Leviathan
hierher zurück, ist Georgs Schicksal traurige Gewissheit. Und ich schwöre dir, dann setze ich Himmel und Hölle in Bewegung, damit die Ladung niemals in die Hände der Sklavenhalter gelangt. Egal, ob Waffen, Mehl oder was auch immer. Nichts sollen die verfluchten Bastarde bekommen. Nichts!«
    Sie schlug die Kanne heftig auf den Tisch. Krachend zerschellte das Porzellan in tausend Scherben.
     
    * * *
     
    »Ich darf Ihnen versichern, Major, dass ich Ihr Ansinnen durchaus nicht als Impertinenz empfinde. Ganz im Gegenteil«, gab der Kronprinz zu verstehen, nachdem er Pfeyfers Ausführungen mit nachdenklicher Miene gefolgt war, ohne auch nur ein einziges Mal Anstalten zu machen, Einwände zu erheben.
    Die beiden Männer saßen sich im Arbeitszimmer des Thronfolgers gegenüber. Pfeyfer war immer noch seltsam dabei zumute, in einem Ledersessel Bericht zu erstatten. Er fühlte sich bedeutend wohler, wenn er beim Rapport stehen musste, so wie es der Rangordnung entsprach. Dieses Mal jedoch war sein Unbehagen darüber weit in den Hintergrund gedrängt worden von der Nervosität, die ihn unter der gewohnt disziplinierten Oberfläche erfüllt hatte. Schließlich war nicht abzusehen gewesen, wie der Thronfolger auf seine Ausführungen reagieren würde, mit denen er sich doch weit jenseits seiner Kompetenzen bewegte. Umso größer war nun seine Erleichterung.
    »Die Gefahren, die Sie mir schildern, bereiten mir schon seit geraumer Zeit große Sorge«, sprach Prinz Friedrich weiter. »Ich bin mir bewusst, welches Verhängnis ein Sieg der Konföderation über kurz oder lang für Karolina bedeuten muss. Ebenso klar ist mir, dass die
Leviathan
sehr wohl zum Schlüssel zu diesem Sieg werden kann, mit welcher Fracht sie auch zurückkommt.«
    »Dann gedenken Hoheit einzuschreiten?«, erkundigte Pfeyfer sich erwartungsvoll.
    Seine kurz aufflackernde Hoffnung wurde sogleich wieder erstickt, als der Kronprinz den Kopf schüttelte. »Gott weiß, ich will es. Aber … nun, noch während

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