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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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dieses Experiment unterlassen. Er fragte sich, ob der Oberkellner wohl jedes Mal aus allen Wolken fiel, wenn ein Gast das Tagesmenü verschmähte.
    Um die Zeit zu nutzen, bis die Suppe serviert wurde, zog Pfeyfer ein kleines Notizbuch hervor und machte sich daran, zum wohl hundertsten Mal seine Aufzeichnungen durchzugehen. Heinzes Tod verfolgte ihn zwar nicht mehr als schreckenbringendes Phantom, das ihn mit Vorwürfen peinigte und ihm mit Schuldgefühlen den Schlaf raubte. Aber er vergaß nicht. Verbissen forschte er weiter, um dem schattenhaften Mörder auf die Spur zu kommen. In dem Büchlein hatte er alle Erkenntnisse, Hinweise und Vermutungen aufgelistet. Er war überzeugt, dass sich irgendwo in den eng beschriebenen Seiten ein Fingerzeig versteckte, der ihn endlich weiterbringen konnte. Etwas, das er bislang einfach nicht richtig gedeutet hatte. Darum versenkte er sich bei jeder Gelegenheit aufs Neue in die Notizen, die er schon längst auswendig kannte.
    »Ich wünsche einen guten Tag, Herr Major.«
    Die ihm zum Überdruss bekannte Stimme veranlasste Pfeyfer, auf der Stelle das Notizbuch zu schließen und fest mit der Hand zu umklammern.
    Er schaute auf und sah sich wie befürchtet dem Geheimpolizisten Krüger gegenüber, der wie aus dem Nichts aufgetaucht auf der anderen Seite des Tisches stand.
    »Sie beherrschen die Kunst, sich völlig lautlos anzuschleichen. Wie eine Schlange«, konstatierte der Major. Sein Tonfall machte nicht übermäßig subtil deutlich, dass der Vergleich keineswegs als Kompliment gedacht war.
    Unaufgefordert ließ Krüger sich auf dem freien zweiten Stuhl nieder und stellte dabei ein selbstgefälliges Lächeln zur Schau. »In meinem Metier zahlt es sich aus, die Eigenschaften gewisser Tiere zu übernehmen. Die Gewandtheit eines Fuchses etwa, die Unsichtbarkeit eines Chamäleons, die Beobachtungsgabe eines Adlers. Was mich auch gleich zum Grund meiner Anwesenheit hier bringt. Es geht um die Berichte, mit denen Sie mich über die Lage in der Provinz auf dem Laufenden halten.«
    »Sie bekommen doch regelmäßig die verlangten Rapporte, oder etwa nicht?«
    »Oh ja, gewiss. Nur erscheinen mir Ihre Berichte seit einiger Zeit … sagen wir, nicht sonderlich informativ. Fast könnte man meinen, Sie lieferten mir absichtlich nur belanglose Oberflächlichkeiten. Was ich Ihnen selbstverständlich nicht unterstellen möchte«, führte Krüger aus. Die Art, wie er jedes Wort mit schneidender Süffisanz tränkte, in der sich unausgesprochene Drohungen verbargen, ließ keinen Zweifel aufkommen, welche Absicht er verfolgte. Er wollte zu verstehen geben, dass ihm die Inhaltslosigkeit der Berichte keineswegs entgangen war und dass er diese verkappte Renitenz nicht zu dulden beabsichtigte.
    Dir geht es nicht nur um die Berichte, du Bastard. Du versuchst, deine Autorität auszuspielen, mich einzuschüchtern und gefügig zu machen. Verdammter Hundsfott!,
dachte Pfeyfer.
    Er fixierte Krüger mit festem Blick und entgegnete beherrscht: »Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie fortan keine vagen Rapporte mehr erhalten werden.«
    Die Miene des Polizisten verriet bereits Befriedigung über die rasche Disziplinierung des Majors. Dann jedoch fuhr Pfeyfer unvermittelt scharf fort: »Weil ich Ihnen nämlich überhaupt keine Rapporte mehr liefere. Nicht eine Zeile!«
    Für einen Moment verschlug es Krüger die Sprache. Perplex blinzelte er hinter seinen runden Brillengläsern, bis er endlich Worte fand: »Sie sind ja von Sinnen!«
    »Ganz im Gegenteil. Ich bin endlich zu Sinnen gekommen«, widersprach Pfeyfer hart. »Ich weiß nicht, wer Sie eigentlich sind und was Sie hier tun. Sie sind eine dubiose Gestalt und ich habe nicht vor, Ihnen weiterhin Hilfsdienste zu leisten.«
    »Muss ich Sie etwa daran erinnern, dass meine Vollmacht Sie verpflichtet, mir jegliche Unterstützung zu –«
    »Dessen bin ich mir bewusst«, schnitt ihm der Major resolut das Wort ab. »Und genau darum sende ich noch heute ein Schreiben an General von Roon. Ich werde ihn ersuchen, mir die Authentizität Ihrer Vollmacht zu bestätigen. Wenn in einem oder zwei Monaten Antwort eintrifft, sehen wir weiter. Und nun darf ich Sie bitten, mich alleine zu lassen.«
    Der Geheimpolizist zog erbost die Brauen zusammen. Der Rest seines Gesichts erstarrte zu einer ausdruckslosen Maske, die nichts über seine Gedanken verriet. Er erhob sich und ging stumm in Richtung des Ausgangs.
    Nur kurz sah Pfeyfer ihm auf seinem Weg durch das spärlich besetzte

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