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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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waren. Er sprach ihnen Lob für ihre Leistungen aus und ließ sie in unpathetischen Worten wissen, dass sie stolz auf sich sein durften, hatten sie doch keine Anstrengung gescheut, um für den Tag der Entscheidung gerüstet zu sein.
    »Ihr habt meine Erwartungen übertroffen. Ihr seid bereit«, resümierte er schnörkellos. »Geht jetzt heim und wartet darauf, dass ihr sehr bald gerufen werdet.«
    Obwohl Levis Worte sehr nüchtern waren, brachen die Männer in begeisterte Hochrufe aus, ließen South Carolina und die Konföderation aus vollen Kehlen hochleben und schwenkten ihre Hüte. Nach den aufreibenden Mühen der vergangenen Wochen entlud sich alles, was sich in ihnen angestaut hatte, jetzt in einem Sturm enthusiastischen Überschwangs. Beaulieu zog spontan den Zylinder vor den jubelnden Freiwilligen, um ihnen seinen Respekt zu erweisen; Weaver, der noch immer mit den Rauchschwaden kämpfte, imitierte diese Geste eilig.
    Levi wartete geduldig ab, bis sich nach langen Minuten der Jubel langsam legte. Dann erst erteilte er den formellen Befehl zum Wegtreten, und die Formation löste sich auf. Die Männer machten sich auf, um ihre Gewehre in die Waffenkammer zu bringen. Dann würden sie in den Quartieren ihre Sachen packen und wie angeordnet nach Friedrichsburg zurückkehren.
    Levi, Beaulieu und Weaver blickten den Abrückenden eine Weile hinterher. Dann verließen auch sie den Schießplatz und begaben sich hinüber zum Gutshaus.
     
    Im ehemaligen Salon bat Levi seine Besucher an einen großen Tisch, auf dem mit Holzklötzen ein einfaches, aber zweckmäßiges Modell der Unterstadt Friedrichsburgs aufgebaut war. Kleine Schilder bezeichneten wichtige Gebäude, Kreidelinien auf der Tischplatte markierten den Verlauf von Straßen und Uferlinien. An einigen Stellen waren Flaschenkorken platziert, in denen Papierfähnchen unterschiedlicher Farbe steckten.
    »Da Sie ja mit dem Plan schon vertraut sind, beschränke ich mich darauf, ein letztes Mal seine Hauptelemente zu rekapitulieren, um eventuelle Missverständnisse völlig auszuschließen«, sagte Levi; er streckte die Hand aus und wies mit dem Zeigefinger auf einen Klotz, der durch seine Beschriftung als
Laagerhaus der Richmond=Handels=Ges.
ausgewiesen war. »Die Männer sind instruiert, sich auf das vereinbarte Zeichen hin unverzüglich hier im Lagerhaus einzufinden. Dort erhalten sie von mir Gewehre und Munition ausgehändigt. Jedem Trupp ist ein klares Ziel zugewiesen.«
    Er deutete nacheinander auf die einzelnen Fähnchen und erläuterte dabei kurz, welche Orte es zu besetzen galt, um die Schlüsselpositionen der gelähmten Stadt zu beherrschen. Beaulieu und Weaver folgten konzentriert seinen Ausführungen. Der Verleger war dabei besonders bemüht, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zur Schau zu stellen, denn schließlich hatte er sich ausbedungen, in eigener Person einen der wichtigsten Trupps anzuführen.
    »Ungleich wichtiger als Bahnhof oder Telegraphenamt ist selbstverständlich das wahre Herzstück der gesamten Operation«, betonte Levi und tippte mit der Fingerspitze auf ein Holzklötzchen, das sich durch durch seine rote Lackierung von allen anderen abhob und neben dem ein weißes Fähnchen mit aufgemalter Krone stand. »Ich selbst dringe mit den von mir eigens hierfür ausgewählten Männern in das Palais Rogalski ein und nehme den Kronprinzen als Geisel. Sodann folgen Sie mit Ihren Leuten nach und sichern das Gebäude, Mr. Weaver.«
    Aus Stolz über die ehrenvolle Aufgabe, die ihm einen prominenten Platz in künftigen Geschichtsbüchern zu sichern versprach, strahlte der Verleger über die ganze Breite seines fleischigen Gesichts. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Mr. Levi.«
    Charles Beaulieu ließ den Blick über das einfache Modell der Stadt schweifen, als würde er im Geiste bereits von dem wirklichen Friedrichsburg Besitz ergreifen. »Und befindet sich erst der Kronprinz in unserer Gewalt, ist der Sieg unser«, meinte er ruhig lächelnd. »Die Preußen werden durch diesen Schlag aus dem Nichts in Schreckensstarre verfallen. South Carolina fällt uns in den Schoß wie ein reifer Apfel.«
    »Seien Sie dessen nicht zu gewiss«, warnte Levi nachdrücklich. »Das Regiment aus Savannah muss schnell hier eintreffen, davon hängt alles ab. Erst wenn die ganze Stadt unser Faustpfand ist, dürfen wir den Sieg für uns reklamieren. Verstreicht zu viel Zeit, besteht die Gefahr, dass die Preußen den Schreck abschütteln, sich besinnen und gegen uns vorgehen,

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