Die Fahrt des Leviathan
obwohl wir Prinz Friedrich als Geisel haben. Versagt General Sibley, stürzt er uns alle ins Verderben.«
Beaulieu stutzte. »Sie zweifeln an den Qualitäten des Generals?«
»Ich bin über seinen New-Mexico-Feldzug im Bilde«, kommentierte Levi abschätzig.
»Oh, dann haben Sie natürlich Anlass zur Skepsis«, gestand der Südstaatler unangenehm berührt ein. »Aber Sibley ist ja ohnedies nur das militärische Aushängeschild. Die Offiziere des Regiments hören in Wahrheit auf mich. Ich werde schon dafür sorgen, dass die Soldaten zur rechten Zeit in Charleston einziehen. Und danach … nun, da zugleich die Konföderation den Krieg gewinnt, braucht uns das Danach keine Sorgen zu bereiten.«
Jeremiah Weaver, der ebenfalls nur höchst ungern über Sibleys Fähigkeiten als Feldherr reden wollte, sorgte für einen abrupten Themenwechsel. »Auch für die Attentate auf Jefferson Davis und General Lee wurden alle notwendigen Dispositionen getroffen, exakt nach Ihren Vorgaben«, merkte er hurtig an. »Unsere Leute stehen in Richmond und in Lees Hauptquartier bereit. Sobald sie telegraphisch Nachricht erhalten, schlagen sie zu. Unsere Widersacher sterben zur gleichen Stunde, da mit New York auch der Yankeehochmut aus der Welt getilgt wird.« Durch diese erfreulichen Ausblicke ließ er sich zu einem gedämpften Lachen hinreißen, das die teigige Masse seines Gesichts in wellenartige Bewegungen versetzte.
»Vortrefflich. Ganz vortrefflich«, meinte Levi unbewegt. »Somit bleibt uns jetzt nur noch, das Pulver trocken zu halten, bis das Signal zum Losschlagen eintrifft. Und dann, Gentlemen« – er hob das Fähnchen mit der Krone an und hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger –, »garantiere ich Ihnen einen Tag, an den Sie bis zu Ihrem letzten Atemzug denken werden.«
Nachdem sie noch einige Details besprochen hatten, verabschiedeten sich Beaulieu und Weaver von Levi, wobei sie nicht vergaßen, ihrer Wertschätzung für seine Leistungen in höchsten Tönen Ausdruck zu verleihen und ihm zu versichern, dass eine große Zukunft in der Armee der Konföderierten Staaten auf ihn wartete. Die Lüge kam ihnen glatt über die Lippen.
In Weavers Phaeton fuhren sie zurück nach Friedrichsburg. Beide waren bester Laune, waren sie doch mehr denn je überzeugt, die Erfüllung ihrer lang gehegten Träume, die Befreiung South Carolinas und der Triumph des Südens über die Yankees, stünde unmittelbar bevor.
»Nur bedauerlich, dass unsere Uniformen noch immer auf sich warten lassen. Zu gerne hätte ich das Grau der Konföderation getragen, wenn ich an der Spitze von Sibleys Regiment in Charleston einziehe«, bemerkte Beaulieu enttäuscht.
»Geben Sie ihrem Schneider doch noch ein wenig Zeit«, meinte Weaver und ließ die Reitpeitsche schnalzen. Behände rollte der leichte Zweispänner aus dem holperigen Feldweg heraus und gelangte auf die Chaussee. »Der gute Mann hat sich gewiss mit mancherlei herumzuplagen. Es heißt, das Leben in Richmond wird mit jedem Tag beschwerlicher. Gehen Sie daher nicht zu hart mit ihm ins Gericht.«
Beaulieu war es dank seiner prächtigen Stimmung unmöglich, sich diesem Appell zu verschließen. Großmütig entgegnete er: »Recht haben Sie, Sir. Warten wir noch ein wenig. Und falls die Uniformen erst eintreffen, wenn ich schon nach Savannah abgereist bin, senden Sie mir meine einfach nach.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein, Sir«, stimmte Weaver dem zu.
Eine Unebenheit in der Straßendecke erschütterte mit einem harten Stoß den Phaeton. Die beiden Männer mussten ihre Hüte festhalten.
* * *
Halsbrecherisch schnell preschte das Pferd vorwärts. Doch das genügte Cedric Socrates Thompson nicht. Er gab dem Tier die Sporen und trieb es noch mehr an. Die Chausseebäume flogen nur so an ihm vorüber. Dass er sich kaum im Sattel halten konnte, da seine Reitkünste bestenfalls mittelmäßig waren, bereitete ihm natürlich erhebliches Unbehagen, und entsprechend ängstlich hielt er die Zügel umkrampft. Doch das Risiko, in vollem Galopp vom Pferderücken zu stürzen, nahm er in Kauf. Er hatte es äußerst eilig, nach Friedrichsburg zurückzukehren, er musste an diesem Abend zeitig bei einer Aufführung auf der Bühne stehen. Immerhin war er der Star des Ensembles. Sein Publikum warten zu lassen, lief seiner Schauspielerehre zuwider. Selbst wenn dieses Publikum zu einem unerquicklich hohen Anteil aus Preußen bestand, die er als geborene Kunstbanausen ansah. An die geradezu unerträgliche
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