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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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nachdem der Südstaatler aus seinem Haus entkommen war, einen Plan gefasst.
Ich werde das Schwein auf Schritt und Tritt beobachten lassen,
sagte er da aufgebracht zu Rebekka, während er sich überhastet die Uniform anzog.
Und sobald ich weiß, wann ich ihn alleine, ohne Zeugen in die Finger bekommen kann, greife ich zu. Er soll die Erniedrigung, die er dir angetan hat, teuer bezahlen. Und er wird mir Heinzes Mörder nennen, notfalls prügle ich es aus ihm heraus!
    Warum so ein Rachefeldzug?,
fragte sie ihn daraufhin verständnislos.
Weshalb lässt du ihn nicht einfach verhaften?
    Den unerwarteten Einwand quittierte er mit einem irritierten Stirnrunzeln und versuchte nebenher mehrmals, mit hektisch zuckenden Fingern den Stehkragen der Uniform zu schließen.
Verhaften? Mit welcher Begründung denn? Dass er frühmorgens vor meinem Bett stand und zugab, Fritz’ Mörder zu kennen? So was Groteskes glaubt mir niemand,
antwortete er.
    Natürlich glaubt man dir,
widersprach sie.
Du hast doch mich als Zeugin!
    Mit einer Hand setzte Pfeyfer sich die Schirmmütze auf, mit der anderen griff er nach dem Degen.
Dich als Zeugin? Unmöglich!,
entgegnete er. Schon die Vorstellung entsetzte ihn.
Das hieße ja einzugestehen, dass du die Nacht bei mir verbracht hast. Damit wärst du entehrt. Das lasse ich nicht zu.
    Rebekka brauste ungehalten auf:
Über meine Ehre befinde ich immer noch selbst! Ich werde bezeugen, was heute Nacht geschehen ist. Ob dir das nun passt oder nicht!
    Du weißt ja nicht, was du da sagst,
erwiderte Pfeyfer bestürzt.
Wenn du das tust, werde ich jedes Wort deiner Aussage bestreiten! Ich sehe nicht zu, wie du ins Unglück rennst.
    Daraufhin war sie noch wütender geworden. Pfeyfer wich nicht von seiner Überzeugung, Rebekkas Reputation schützen zu müssen; doch er begann jetzt zu verstehen, dass er sie durch unbedachte Worte furchtbar beleidigt hatte. Er fühlte sich dumm und grobschlächtig.
    Und die Gewissheit, unsagbar dumm zu sein, fraß gleich doppelt an ihm. Wie konnte ich Schwachkopf bloß annehmen, Beaulieu würde nach diesem Schurkenstück seelenruhig in sein Hotelzimmer zurückkehren?
Ich bin ein naiver Vollidiot!,
verwünschte er sich ohne Nachsicht.
    Ungeduldig hatte er FliegenderSchwarzer-Adler ohne jede Erklärung den Befehl erteilt, unverzüglich Erkundigungen über Beaulieu s Gewohnheiten einzuholen. Er hatte es gar nicht erwarten können, das Netz auszubreiten, in dem der Südstaatler sich verfangen sollte. Nun fand er sich selbst in einem Netz wieder.
    Er konnte nicht einmal an den Grenzposten telegraphieren und die Festnahme Beaulieu s anordnen, ohne sich eine Blöße zu geben. Der Südstaatler hatte ihn ausmanövriert.
    Langsam hob der Major den Kopf und blickte zum Fenster hinüber. Draußen dämmerte der Tag mit einem glühenden Morgenhimmel heran. Durch die beschlagenen Scheiben fiel honigfarbenes Winterlicht in langen Streifen an die gegenüberliegende Wand, tauchte die trübgrüne Ölfarbe in einen warmen Schimmer.
    Mit Bangen dachte Pfeyfer an den Abend. Er fürchtete, seine Entschuldigung bei Rebekka so zu verpfuschen, wie er alles an diesem Tag bislang verpfuscht hatte.
     
    Das Paket, das Bob Prinz durch die Stadt trug, war nicht schwer, dafür aber unhandlich sperrig. Eigentlich bestand es aus zwei großen Schachteln, die der Absender unter Verwendung von reichlich Paketschnur fest zusammengezurrt hatte. Als es vor einer Stunde mit dem morgendlichen Postzug aus Pagot eingetroffen war, hatte Bob sogleich befürchtet, dass es an ihm hängen bleiben würde, das Monstrum auszuliefern. Seine Vorahnung hatte ihn nicht getrogen.
    So schleppte er das Paket, das sich an keiner Stelle über längere Zeit festhalten ließ und ihm ständig aufs Neue aus den Händen rutschte, nun die Straßen entlang. Der Aufschrift zufolge handelte es sich bei dem Absender um einen gewissen Isaac Finegold, Schneider für Gentlemen in Richmond. Der Mann war Bob unbekannt, aber er war sich völlig sicher, ihn nicht zu mögen.
    Endlich erreichte er die Adresse, die auf dem Paket angegeben war. Bob hätte diesen Ort lieber gemieden. Das grellweiß leuchtende Gebäude des Verlagshauses Weaver, das die Burggrafenstraße unangefochten beherrschte, kam ihm feindselig und böse vor. Aus freien Stücken hätte er es im Leben nicht betreten; doch ihm blieb keine Wahl. Das Paket war an Jeremiah Weaver adressiert und er musste es ordnungsgemäß zustellen. Mit klopfendem Herzen öffnete er die Eingangstür und ging

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