Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
kurzweiligen Zerstreuung. Rebekka erstarrte, als der Lauf direkt auf ihren Kopf zeigte.
    »Doch nun zum Grund meines Hierseins. Es gibt da doch etwas, das Sie um jeden Preis in Erfahrung bringen möchten. Oder gehe ich darin fehl,
Herr Major?«
    Er hängte die Anrede auf Deutsch an den Satz an und betonte die beiden Worte mit arroganter Gönnerhaftigkeit.
    »Was soll diese Charade? Sagen Sie endlich, was Sie wollen!«, schnaubte Pfeyfer scharf.
    »Ganz wie Sie wünschen«, willigte Beaulieu zuvorkommend ein. »Sie sollen erfahren, dass mir bekannt ist, wer den tödlichen Schuss auf Ihren Freund Friedrich Heinze abgab.«
    Pfeyfer keuchte auf. »Wer? Den Namen! Den Namen!«
    Doch Beaulieu lächelte nur und schwieg. Er ging rückwärts zur geöffneten Tür des Schlafzimmers, ohne den Major aus dem Auge zu lassen oder die Waffe zu senken. Dann, als er schon auf dem Flur stand, stellte er die Lampe auf den Boden und lachte gehässig. »Das,
Herr Major,
bleibt mein Geheimnis. Amüsant, finden Sie nicht?«
    Er schlug die Tür zu; das Licht der Lampe verschwand abrupt und ließ den Raum in tintenschwarzer Finsternis zurück. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, mit einem eisernen Klacken rastete der Riegel ein.
    Pfeyfer sprang aus dem Bett und hechtete durch das Dunkel. Er rüttelte heftig an der Klinke, dann warf er sich mit der Schulter gegen die Tür, zweimal, dreimal. Nichts tat sich; er nahm Anlauf, legte sein ganzes Körpergewicht in den Rammstoß. Diesmal krachte splitterndes Holz, das Schloss brach aus dem Rahmen und die Tür sprang auf. Der Weg war frei. Pfeyfer stürmte auf den Flur, die Treppe hinab, zum offen stehenden Hauseingang, ins Freie. Aber er kam zu spät. Beaulieu war fort. Der Hall klappernder Hufe verlor sich irgendwo in der Ferne.
    »Ich kriege dich, gottverdammter Hundsfott!«, brüllte Pfeyfer wutentbrannt, ohne Rücksicht darauf, dass er nackt auf der nächtlichen Straße stand. »Gnade dir Gott, ich kriege dich!«

9. Februar
    »Weg«, wiederholte Pfeyfer ruhig, fast gleichmütig. Er wunderte sich selbst darüber, dass er die Meldung so gefasst aufnahm.
    Hauptmann FliegenderSchwarzer-Adler hingegen war einfach nur heilfroh, weil ihm das befürchtete Donnerwetter wider Erwarten wohl doch erspart blieb. Was an diesem seltsamen Morgen in seinen Vorgesetzten gefahren war, wusste er nicht; doch wollte er heute um nichts in der Welt zum Blitzableiter für dessen Zorn werden. Doch trotz seiner Erleichterung wich die Anspannung nicht aus dem Hauptmann, während er in Habachtstellung vor dem Schreibtisch stand. Er fürchtete, mit einem falschen Wort vielleicht doch noch den Unwillen seines vorgesetzten Offiziers auf sich zu ziehen.
    »Jawohl, Herr Major«, bestätigte er und führte dann genauer aus: »Der Receptionist im Hotel Belle-Alliance erklärte, Charles Beaulieu habe ihn bereits vorgestern angewiesen, ihm ein Billett für den heutigen Frühzug nach Savannah zu besorgen. Und der diensttuende Perron-Aufseher im Bahnhof versicherte, Beaulieu sei um fünf Uhr mit besagtem Zug abgereist, unter Zurücklassung eines Mietpferdes.«
    »Er hat es also genau vorausgeplant, der Hund«, meinte Pfeyfer halblaut.
    So unsicher, als müsste er sich mit jedem Wort auf bedrohlich dünnem Eis vorantasten, bemerkte FliegenderSchwarzer-Adler nach kurzem Zögern: »Ich bitte Herrn Major um Vergebung, aber ich habe nicht recht verstanden.«
    Erst jetzt erkannte Pfeyfer, dass er nicht gedacht, sondern gesprochen hatte. Er schüttelte nur den Kopf und entgegnete: »Nichts, gar nichts. Gehen Sie jetzt nach Hause. Wegtreten.«
    Auf diesen erlösenden Befehl hatte der Hauptmann gehofft, denn mittlerweile konnte er vor Müdigkeit kaum noch stehen. Nachdem er nämlich die ganze Nacht damit verbracht hatte, Berge staubiger Akten zu sortieren, war der Major lange vor der Zeit erschienen, hatte ihm den zum Greifen nahen Dienstschluss entrissen und ihn auf eine Odyssee durch die schlafende Stadt geschickt. Nun wollte er nur rasch fort, bevor es sich sein Vorgesetzter am Ende vielleicht doch noch anders überlegte. Er schlug die Hacken zusammen, vollführte eine besonders schnelle Vierteldrehung und eilte fast im Laufschritt aus dem Dienstzimmer.
    Sobald die Tür geschlossen war, ließ Pfeyfer den Kopf in seine Hände sinken und gab ein gepeinigtes Stöhnen von sich. Das Scheitern hätte er verkraftet. Aber nicht die Demütigung. Nicht die Gewissheit, dass Beaulieu sich jetzt in gehässigem Triumph nur so suhlte.
    Er hatte gleich,

Weitere Kostenlose Bücher