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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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immer mit der erniedrigenden Niederlage, die Charles Beaulieu ihm bereitet hatte. Er wirkte düster und geistesabwesend. Und die Gewissheit, dass er des Südstaatlers niemals habhaft werden würde, fraß zusätzlich an seinem Gemüt. Von Savannah aus war Beaulieu zweifellos längst weitergereist. Er mochte von dort auf Umwegen nach Richmond zurückfahren, aber das war alles andere als gewiss. Ebenso gut konnte jeder andere Ort der Konföderation sein Ziel sein.
    Und selbst wenn ich ihn mit mehr Glück als Verstand aufspüre, was nützt mir das?,
fragte Pfeyfer sich verdrossen.
Ich kann ja nicht an ihn herankommen. Als Neger unterwegs durch die Südstaaten, nein, unmöglich.
    Nur unter größtem Widerwillen fügte er sich langsam in die Einsicht, dass Beaulieu ihn matt gesetzt hatte. Doch wenn er schon nicht ihn selbst zur Rechenschaft ziehen konnte, wollte der Major zumindest das Werk sabotieren, das der Südstaatler während seines Aufenthalts in Friedrichsburg so durchtrieben eingefädelt hatte. Wie Rebekka und Amalie war er wild entschlossen, alles zu tun, damit die
Leviathan
der Konföderation keinen Nutzen brachte. Falls das Schiff gegen alle Widerstände doch entladen zu werden drohte, wollte er notfalls mit einer Handvoll Soldaten, auf die er sich blind verlassen konnte, unter Waffengewalt an Bord gehen und Feuer legen. Und er war bereit, dafür ganz alleine jede Strafe auf sich zu nehmen.
    Unentwegt schwirrte ihm, während er seine Gedanken wälzte, ein Satz durch den Kopf. Er konnte sich nicht erinnern, woher er ihn kannte oder in welchem Zusammenhang die Worte eigentlich standen. Aber auf unerklärliche Weise fühlte er sich, als würden die wenigen Worte an den Kern seiner Seele rühren:
Er wählte Ungnade, wo Gehorsam keine Ehre brachte.
    Das Läuten der Türglocke holte ihn unversehens aus seinen Grübeleien. Er fragte Rebekka, ob sie an diesem Abend denn noch Besuch erwartete, doch die Direktorin verneinte.
    »Vielleicht ist es Carmen, die vorzeitig von ihrer Reise zurückkehrt«, mutmaßte sie. »Es würde der Guten ähnlich sehen, ihren Schlüssel zu vergessen.«
    Es klopfte und auf Rebekkas Aufforderung betrat das Hausmädchen Gerda den Raum. »Ein Mann bittet dringend darum, vom Fräulein Direktorin empfangen zu werden«, meldete sie und setzte etwas befremdet hinzu: »Ein Gepäckträger.«
    Rebekka horchte auf. »Ein Neger?«
    »Ja, gnädiges Fräulein.«
    »Doch nicht etwa
der
Gepäckträger!«, platzte Amalie erstaunt heraus. Sie war über den Vorfall im Bahnhof durch Rebekkas lebhafte Schilderung genau im Bilde. Dass der Mann, der Beaulieu erschießen wollte, nun aus heiterem Himmel hier erschien, konnte sie kaum fassen.
    Pfeyfers Blick verdüsterte sich und er ballte vor sich auf dem Tisch die Hände. »Ich hätte ihn nicht abhalten sollen«, knurrte er.
    Mit einem rasch platzierten Stoß des Ellenbogens in die Seite hielt Rebekka ihn davon ab, in seinem aufwallenden Ärger in Gegenwart des Hausmädchens etwas Falsches zu sagen. Dann wies sie Gerda an, den Besucher hereinzuführen.
    Alle rätselten, was Bob Prinz wohl bewogen haben mochte, die Direktorin aufzusuchen. Doch als er wenige Augenblicke später in die Bibliothek trat, stand sofort fest, dass ihm etwas Fürchterliches widerfahren sein musste.
    Hilflose Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben und trotz seiner tiefschwarzen Haut wirkte er aschfahl. Die blaue Uniformmütze hielt er mit beiden Händen krampfhaft vor die Brust gepresst und knetete sie unstet durch, während er mit vor Nervosität strauchelnder Stimme beklommen einen guten Abend wünschte.
    Die Anwesenheit der ihm unbekannten Amalie von Rheine machte ihn zunächst befangen und ließ ihn zögern, sein Anliegen vorzubringen, bis Rebekka ihm versicherte, dass er ganz offen sprechen könne. Da erst überwand er sich, nahm all seinen Mut zusammen und begann.
    »Ich bitte um Vergebung, weil ich Sie belästige. Doch ich kenne sonst niemanden, an den ich mich wenden kann. Ich glaube, ich habe etwas Schreckliches getan.«
    Rebekka ahnte Böses. »Etwas Schreckliches? Um Himmels willen, was?«
    »Ich musste gestern ein Paket zur Postexpedition im Bahnhof bringen. Als ich sah, dass es an Charles Beaulieu gerichtet war, habe ich einen Fluch darauf ausgesprochen. Einen Fluch! Warum habe ich das getan? Ein Fluch, Zauberei! Wenn Beaulieu dadurch etwas zustößt … Ich werde in die Hölle kommen! Sagen Sie mir, was soll ich nur tun?« Von Verzweiflung getrieben, stieß er die letzten

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