Die Fahrt des Leviathan
Befragung des Polizisten.
»Was genau ist vorgefallen? Rapport, Wachtmeister!«
Duncan nahm Haltung an und berichtete schnell und knapp wie bei einer militärischen Meldung, dass er und Litzow auf Patrouille im alten Hafenviertel gewesen waren, als sie zwei kurz aufeinander folgende Schüsse aus dem Inneren des Lagerhauses vernommen hatten. Nachdem sie mit einiger Mühe die von innen verriegelte Tür aufgebrochen hatten, waren sie der Toten ansichtig geworden. Unverzüglich war Duncan zum Wachlokal geeilt und hatte den Vorfall gemeldet.
»Da ich wusste, dass der Herr Hauptmann Ihr Stellvertreter war, habe ich veranlasst, dass Sie sofort benachrichtigt wurden, Herr Major«, schloss der Wachtmeister seine Schilderung ab.
»Das war richtig so«, sagte Pfeyfer. »Und beide waren schon tot, als Sie hinzukamen?«
»Jawohl, Herr Major. Kein Lebenszeichen.«
Täubrich, der versuchte, Heinzes vor Blut schweren Mantel aufzuknöpfen, meldete sich zu Wort und wollte wissen, ob die Lage der Körper irgendwie verändert worden sei.
»Ich glaube nicht, Herr Doktor«, antwortete Duncan. »Aber genau kann Ihnen das nur Schutzmann Litzow sagen. Er ist hier zurückgeblieben, um sicherzustellen, dass kein Unbefugter sich Zutritt verschafft, während ich zur Wache gelaufen bin.«
»Dann rufen Sie ihn her, sofort!«, verlangte Pfeyfer ungeduldig.
Der Wachtmeister bellte den Befehl zum Antreten in Richtung Tür. Sogleich kam Litzow herbeigeeilt, nahm Haltung an und meldete sich zur Stelle.
»Haben Sie hier etwas angerührt? Die Körper der Toten bewegt oder ihre Lage verändert?«, wollte Pfeyfer wissen.
»Nein, Herr Major«, beteuerte der Polizist. »Ich habe nichts angefasst.«
Täubrich, der inzwischen den Mantel geöffnet und den ebenfalls von Blut durchtränkten blauen Waffenrock freigelegt hatte, schaute kurz auf. »Vermutlich hat Hauptmann Heinze nach der tödlichen Verwundung noch für ein, zwei Minuten gelebt. Das ist bei einem Treffer in der Brustgegend durchaus denkbar und erklärt auch seine Lage, die dann aus den Bewegungen im Todeskampf resultiert. Jedoch –« Er brach mitten im Satz ab, als wäre er seiner Sache nicht ganz sicher, und erhob sich. »Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Major, möchte ich mich zunächst einmal der Untersuchung des anderen Toten zuwenden. Haben Sie eine Vorstellung, um wen es sich handeln könnte?«
»Allerdings. Das ist Nathaniel Parson Weaver«, sagte Pfeyfer so, als widerstrebte es ihm, den Namen auch nur auszusprechen.
Erstaunt hob Täubrich die Augenbrauen. »Der Verleger?«
Pfeyfer sah ungerührt auf den dürren Leib im schmutzigen Kittel hinab. »Niemand anderer.«
Der Arzt kniete neben dem toten Weaver nieder und inspizierte die Wunde am Hals. »Ich kann mit Sicherheit sagen, dass er sehr schnell tot war«, meinte Täubrich. »Die Kugel hat seine Halsschlagader durchtrennt. Er muss innerhalb äußerst kurzer Zeit verblutet sein. Das Fehlen jeglicher Anzeichen eines noch so kurzen Todeskampfes deutet darauf hin, dass er durch den Schock, den die Verletzung hervorgerufen hat, unverzüglich das Bewusstsein verlor und im Zustand der Ohnmacht starb.«
»Ich hätte ihm durchaus einen Todeskampf bei vollem Bewusstsein gewünscht«, knurrte Pfeyfer.
Der Major und die beiden Polizisten verfolgten, wie Täubrich den toten Weaver untersuchte, als unvermittelt eine Stimme ertönte: »Guten Abend, meine Herren!«
Pfeyfer fuhr, wie alle Anwesenden, schlagartig herum und sah sich dem Geheimpolizisten aus Berlin gegenüber, der den schwarzen Zylinder lüftete und mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen leicht den Kopf neigte.
»Polizeidirektor Krüger!«, entfuhr es Pfeyfer. »Woher, zum Teufel, wussten Sie –«
Mit einer Mischung aus Überheblichkeit und mitleidiger Arroganz blickte Krüger den Major durch die kleinen Gläser seiner Brille an. »Ich erfahre alles. Das ist das Fundament meiner Profession. Und da die Tür bei meinem Eintreffen weder geschlossen noch bewacht war, hielt mich auch nichts davon ab einzutreten. Also, wer sind diese Leute, deren so unschönes Dahingehen Ihre Aufmerksamkeit derart in Anspruch nimmt?«
»Hauptmann Friedrich Heinze, mein Stellvertreter«, erwiderte der Major widerstrebend und deutete auf den Toten im grauen Offiziersmantel. »Und der andere ist ein gewisser Nathaniel Weaver. Er führte, gemeinsam mit seinem Bruder, das zweitgrößte Verlagshaus der Provinz. Dort erscheint unter anderem der
Carolina Crescent.
Eine Zeitung, die sich als Organ der
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