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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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aus dem Weg zu gehen.
     
    Als Healey eilig um die Ecke trat und in die Halle zurückkehrte, fiel sein Blick als Erstes auf die Frau und den Offizier, die am Bahnsteig standen. In dem hochgewachsenen Mann erkannte er sogleich den Major wieder, der ihn wegen der Todesfälle im Lagerhaus aufgesucht hatte. Doch viel wichtiger war die Frau, mit der er gerade sprach. Ihr Gesicht kam Healey vertraut vor. Und wie aus heiterem Himmel erinnerte er sich, dass Amalie von Rheine in ihrer Begleitung auf dem Ball gewesen war.
    Ihm war, als würde sein Herz vor Freude einen Luftsprung machen. Seine Suche war vorüber! Diese Frau konnte ihm den Weg zu Fräulein von Rheine weisen. Er musste sie nur noch höflich und mit aller gebotenen Zurückhaltung ansprechen.
    Er konnte spüren, wie sich alle seine Sorgen verflüchtigten und der dichte Nebel über seinem Gemüt sich lichtete. Ein wenig nervös, aber dennoch fest entschlossen, näherte er sich der Frau.
     
    Erbost darüber, dass die beiden Schwarzen noch immer keine Anstalten machten, ihm den Weg freizugeben, drängte Beaulieu sich durch den Ausgang.
    Dabei stieß er mit voller Absicht die nichts ahnende Rebekka Heinrich so grob beiseite, dass sie beinahe gefallen wäre.
    »Weg da, Darkey«, zischte er und wollte weitergehen, ohne innezuhalten.
    Doch Pfeyfer packte ihn am Arm und hielt ihn fest. »Sie sollten sich bei der Dame entschuldigen, Sir«, forderte er ihn ungehalten auf.
    Die Impertinenz des uniformierten Schwarzen traf Beaulieu vollkommen unvorbereitet. Sein Blick verfinsterte sich.
     
    Der Atem stockte Healey, als sich von einer Sekunde auf die andere die Ereignisse überstürzten. Das Gesicht des Mannes, der vom Major festgehalten wurde, war ihm von Zeitungsbildern bekannt. Das war Charles Beaulieu , der mächtige Berater des Präsidenten der Konföderierten Staaten, den er in Empfang nehmen sollte. Healey sah das Verhängnis seinen Lauf nehmen. Er rannte los, um das Schlimmste noch zu verhindern.
     
    »Ich lasse mir von keinem dreckigen Nigger von der Eisenbahn sagen, was ich zu tun habe!«, fuhr Beaulieu den Major an und wollte sich losreißen. Aber Pfeyfers Griff wurde daraufhin nur noch fester.
    »Sie haben mich offenbar nicht richtig verstanden, Sir«, sagte er mit drohendem Unterton. »Ich wünsche, dass Sie sich umgehend bei der Dame für Ihre Rücksichtslosigkeit und die Beleidigung entschuldigen!«
    »Ich werde dir zeigen, was mit Niggern wie dir auf meinen Plantagen geschieht!«, brüllte Beaulieu und holte zu einem Schlag mit dem schweren Knauf seines Gehstocks aus.
    Pfeyfer war schneller. Er versetzte Beaulieu einen Fausthieb, der das Kinn traf. Der Südstaatler taumelte rückwärts gegen den Eisenzaun. Benommen versuchte er eine weitere Attacke, kam aber nicht einmal mehr dazu, den Stock zu heben. Pfeyfer riss Beaulieu herum, zerrte ihm die Arme auf den Rücken und verdrehte sie mit eisernem Griff in eine schmerzhafte Position.
    »Ich könnte Sie wegen des tätlichen Angriffs auf einen Offizier für Monate ins Gefängnis bringen«, knurrte Pfeyfer aufgebracht. »Aber ich will davon absehen, falls Sie sich auf der Stelle für Ihr Verhalten bei der Dame entschuldigen.«
    Als Beaulieu nicht sofort reagierte, zog Pfeyfer die verdrehten Arme mit einem kräftigen Ruck nach oben. Der Amerikaner schrie auf. »Zur Hölle, ja, ja, ja! Ich bitte um Entschuldigung, hören Sie? Ich entschuldige mich!«, brüllte er mit sich überschlagender Stimme.
    »Und ich nehme die Entschuldigung an«, sagte Rebekka schlicht.
    Der Major entließ seinen gequält ächzenden Gefangenen sogleich aus seinem Griff.
    In diesem Moment kam Healey herangestürmt.
    Leichenblass wandte er sich bestürzt an den Amerikaner: »Mr. Beaulieu ! Um Himmels willen, sind Sie wohlauf?«
    Der Südstaatler sah ihn aus hasserfüllt stechenden Augen an. »Bin ich nicht, Sie Idiot! Sind Sie etwa Healey? Wo waren Sie? Dieser ganze Mist wäre nicht passiert, wenn Sie rechtzeitig da gewesen wären, Sie verdammter Kretin!«
    Healey stammelte verlegen Entschuldigungen. Er blickte hinüber zu Rebekka Heinrich, aber nun traute er sich nicht mehr, sie anzusprechen. Jetzt, wo er für sie in Verbindung mit einem Mann stand, der sie beleidigt hatte, ausfällig geworden war und jedes Klischee eines aufbrausenden Sklavenhalters erfüllte, durfte er nicht erwarten, dass sie ihm eine Gefälligkeit erweisen, geschweige denn ihm den Weg zu ihrer Freundin ebnen würde.
    Er beteuerte mehrmals, wie unangenehm ihm dieser

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