Die Fahrt des Leviathan
kommen, die Echtheit dieser Dokumente in Frage zu stellen. Selbst Major Pfeyfer, mit dem Sie ja diese recht unerfreuliche Begegnung hatten, ist fest überzeugt, dass ich Polizeidirektor Krüger aus Berlin bin.«
Beaulieu stieß schnaubend Luft durch die Nase aus. »Erwähnen Sie freundlicherweise diesen Pfeyfer nicht«, sagte er mit unterdrücktem Zorn.
Die beiden Männer saßen auf einer Bank im Städtischen Park. Zunächst hatte Beaulieu sich erstaunt gezeigt, dass ihre erste Unterredung nicht in der sicheren Abgeschlossenheit seiner Suite im Hotel Belle-Alliance stattfand. Aber Kolowrath konnte ihm darlegen, dass er mit Bedacht einen öffentlichen Ort im Freien gewählt hatte, weil sich dort am leichtesten feststellen ließ, ob die Anwesenheit des bedeutenden Südstaatlers Verdacht erregt hatte und er möglicherweise beschattet wurde, sei es nun von preußischen Behörden oder von Spionen der Vereinigten Staaten. Doch dies war nicht der Fall, wie Kolowrath mittlerweile mit geübtem Blick festgestellt hatte. Sie waren völlig ungestört und mussten keine heimlichen Lauscher fürchten.
Das Gespräch wurde auf Englisch geführt, das Kolowrath glücklicherweise recht gut beherrschte, wenn auch ein schwerblütiger deutscher Akzent über seinen Worten lag. Ursprünglich hatte Beaulieu beabsichtigt, Healey mitzunehmen, damit ein Dolmetscher zur Hand war, falls die Verständigung Probleme bereiten sollte. Doch er war letztlich zu dem Schluss gekommen, dass darin ein zu großes Risiko lag. Er hatte am Abend zuvor mit Healey gegessen und dabei den Eindruck erhalten, dass dieser Mann in einer seltsamen Geistesverfassung sein musste. Healey hatte abwesend gewirkt, als würde er die meiste Zeit seinen eigenen Gedanken nachhängen, und zeigte bisweilen eine irritierende Neigung zu grundlosen Stimmungsschwankungen. Niemanden, der sich so merkwürdig unberechenbar verhielt, wollte Beaulieu zu einem geheimen Treffen hinzuziehen. Und wie sich jetzt zeigte, war es ohnehin nicht nötig.
»Lassen Sie uns ohne weitere Umschweife zur Sache kommen, da Zeit für uns beide gleichermaßen wertvoll ist«, sagte Kolowrath. »Ich bin hier, um der Regierung der Konföderierten Staaten einen Vorschlag von allergrößter Tragweite zu unterbreiten.«
Beaulieu runzelte in unverhülltem Zweifel die Stirn. »Ihren Worten zufolge wollen Sie uns zum Sieg über die Yankees verhelfen. Warum sollte Österreich daran überhaupt ein Interesse haben? Ihr Land zeigt uns doch so wie alle Staaten Europas die kalte Schulter und tut, mit Verlaub, einen Dreck, um uns zu unterstützen.«
»Ihre Bedenken sind vollauf berechtigt«, erwiderte der Oberst. »Aber ich darf Ihnen versichern, gewisse Gründe lassen es für uns höchst wünschenswert erscheinen, dass der Süden seine Unabhängigkeit erringt. Ich gehe davon aus, dass Sie über die Vorgänge in Mexiko im Bilde sind?«
»Ich weiß nicht, was das mit dem Freiheitskampf der Konföderation zu tun haben soll«, entgegnete Beaulieu unwirsch. Natürlich verfolgte er, wie jeder politisch interessierte Amerikaner, die Ereignisse südlich des Rio Grande. Nachdem das bankrotte Mexiko verkündet hatte, die Tilgung seiner Schulden im Ausland einzustellen, waren auf Geheiß Kaiser Napoleons III. zu Beginn des Jahres französische Truppen gelandet, hatten Teile des Landes besetzt und schickten sich nun an, ganz Mexiko unter ihre Kontrolle zu bringen, um die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs zu wahren.
Kolowrath kümmerte sich nicht um die gefährlich zunehmende Verärgerung seines Gegenübers und sprach seelenruhig weiter: »Sehr viel, wie Sie gleich erkennen werden. Es ist kein Geheimnis, dass Napoleon Mexiko gerne zu einem Vasallenstaat Frankreichs machen würde. Zu diesem Zweck möchte er an der Spitze des Landes einen Herrscher von seinen Gnaden platzieren, und sein Wunschkandidat hierfür ist niemand anderer als Erzherzog Maximilian, der Bruder meines Kaisers. Im kommenden Jahr soll dem Erzherzog die mexikanische Kaiserkrone offiziell angetragen werden, und er hat bereits angedeutet, dass er ein solches Angebot akzeptieren würde.«
»Schön für ihn«, knurrte Beaulieu ungeduldig. »Kommen Sie nun endlich zur Sache, Colonel.«
»Nun, Präsident Lincoln hat bereits verkündet, dass die Vereinigten Staaten in keinem Falle einen europäischen Monarchen an der Spitze Mexikos dulden werden. Momentan sind das natürlich nur substanzlose Drohungen, da ihm durch den Bürgerkrieg die Hände gebunden sind. Doch
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