Die Fahrt nach Feuerland
Plicht gesetzt und gebrüllt: »Ihr Arschlöcher, ich bin hier festgepflockt. Nun reißt mich mal raus!«
Und das alles unter den Augen der Öffentlichkeit, die endlich wieder einen einsamen Helden hatte!
Losskow sah Helena verzweifelt an, zuckte mit den Schultern und ging davon. Trosky blickte ihm verwundert nach. »Was hat er denn? Mißfällt ihm unsere Arbeitsteilung? Er läßt sich feiern, ich arbeite! Dagegen kann er doch nichts haben! Das entspricht doch seinem Ideal. Der standhafte Wikinger!«
»Wir legen morgen ab«, sagte Helena, kühl wie immer. »Es sind noch ein paar Konserven zu kaufen. Außerdem kommt noch etwas an Bord!«
»Nein!« Trosky hob theatralisch beide Arme. »Bitte nicht noch so eine Mißgeburt wie Mr. Plump! Das halte ich nicht aus!«
»Ich habe mir einen Plattenspieler gekauft«, sagte Helena. »Batteriebetrieb. Und dreißig Langspielplatten.«
»Glänzende Idee! Ein paar Tänzchen an Bord lockern die Atmosphäre. Rechtsherum und linksherum und durch die Mitte …«
»Ich habe Beethoven, Wagner, Tschaikowskij, Schubert und Grieg gekauft.«
»Nein!« schrie Trosky auf. »Tu mir das nicht an, Blondie! Klassik vor Feuerland! Das ist pervers!«
Helena ließ ihn stehen und ging über die lange Mole in Richtung Stadt. Trosky setzte sich auf einen hohen Betonpoller, blickte hinüber zu einem sowjetischen Handelsschiff, das eher wie ein mit Elektronik vollgestopfter Beobachtungs- und Nachrichtenkreuzer aussah. Die russischen Matrosen, die Landgang hatten, fielen durch ihre makellose Korrektheit auf. Schneeweiße Uniformen, unauffälliges Benehmen, Höflichkeit, Zurückhaltung. Nie ging einer allein. Sie besuchten Santa Cruz nur in kleinen Gruppen. Man konnte sicher sein, daß es bei ihnen keine nächtlichen Schlägereien in den Hafengassen gab, wie etwa bei den amerikanischen oder kanadischen Matrosen, von den Öltankerbesatzungen ganz zu schweigen.
Aus dem Boot kletterte Lucrezia. Sie trug ein enges, kurzes Frottierkleidchen. Auch so war sie eine Gefahr für die öffentliche Sittlichkeit.
»Was hockst du hier herum?« fragte sie Trosky. »Wo warst du überhaupt die ganze Zeit?«
»Wenn ich dir das erzähle, wirst du rot wie eine Tomate! Oder unruhig wie ein Huhn vorm Eierlegen.«
»Kein Kommentar!« Sie winkte ab. »Du weißt, daß wir morgen früh ablegen?«
»Ja. Wo gehst du hin?«
»Er heißt Francisco Hernandez Marques. Toll, was?«
»Wenn er so lange durchhält, wie sein Name lang ist – gratuliere!«
»Ekel!«
Sie wollte gehen, aber Trosky hielt sie am Saum ihres kurzen Kleides fest. »Noch einen Moment, Süße! Nur eine Frage: Zwischen Peer und Blondie, tut sich da was?«
»Warum?«
»Mir wird ihre Moral unheimlich. Helena hat doch kein Eiswasser in den Adern!«
»Was geht das mich an?«
»Wo haben sie die zwei Nächte geschlafen?«
»Der Boß an Bord. Helena im Hotel Mencey.«
»Allein?«
»Sicherlich!«
»Das ist geradezu gespenstisch! Ich habe erwartet: Jetzt, auf Teneriffa, da fallen sie endlich übereinander her!« Er drehte Lucrezia den Rücken zu: »Ist gut, Süße. Hau ab! Mach's gut, aber nicht zu oft.«
Lucrezia verbiß sich eine Bemerkung und ging über die Mole zur Stadt. Dabei geriet sie in den Strom der sowjetischen Matrosen und wunderte sich, daß keiner sie ansprach oder wenigstens durch die Zähne pfiff. Die Rote Marine war darauf gedrillt, in jeder Situation Vorbild zu sein.
Am nächsten Morgen schrubbte Trosky das Deck, als Losskow heraufkam. Das Kratzen des Schrubbers hatte ihn geweckt.
Trosky hatte brav an Bord geschlafen, genau wie Losskow. Die Mädchen waren noch in Santa Cruz. Helena im Hotel Mencey, Lucrezia irgendwo bei ihrem Francisco Hernandez Marques. Es war noch früh, fahle Dämmerung lag über Meer und Insel. Die Kuppe des Teide segelte unwirklich durch zerfetzte Wolken. Es war der Übergang von Nacht auf Tag, in dem die Natur wie zu Beginn der Schöpfung aussieht.
»Was treibt dich denn, mitten in der Nacht das Deck zu kratzen?« fragte Losskow.
»Ich nehme an, beim Ablegen gibt's noch einmal eine kleine Schau! Gestern habe ich Randler getroffen. Er hat schon die neue Schlagzeile: ›Der Start ins große Unbekannte!‹ Ich habe ihm gesagt, daß er ein Idiot ist! War das richtig?«
»Exakt!« Losskow lachte. Manchmal war Trosky ihm direkt sympathisch. »Wir sollten in aller Heimlichkeit auslaufen.«
»Wenn die Mädchen rechtzeitig da sind.«
»Sie haben Anweisung, um sieben Uhr an Bord zu sein! Dann können wir sofort die
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