Die Fahrt nach Feuerland
Segel setzen – und ab geht's!«
»Randler wollte wissen, wo unsere nächste Station ist. Da er mich fragte, habe ich angenommen, daß du ihm keine Auskunft gegeben hast.«
»Und was hast du gesagt?«
»Barbados!«
»Das hat er dir geglaubt?«
»Nein! Aber er hörte wenigstens auf zu fragen.«
»Jetzt könnte ich dir wieder auf die Schulter klopfen.«
»Bitte keine abartigen Regungen, Boß!« Trosky stützte sich auf den Schrubberstiel und sah Losskow forschend an. »Du gehst doch immer noch schwanger mit dem Gedanken, mich hierzulassen?«
Losskow zeigte keine Wirkung, aber er wurde vorsichtig. »Wer sagt das?« fragte er.
»Ich habe das gelesen.«
»Wo?«
»In deinem privaten Bordbuch! Es lag gestern auf der Klapplade. So etwas reizt mich natürlich.«
»Das ist gelogen!« sagte Losskow ernst. »Das Tagebuch liegt immer im Kasten, und der Deckel ist verschlossen. Nur ich habe den Schlüssel! Hast du das Schloß aufgebrochen?«
»Es lag obendrauf!« sagte Trosky laut. »Ich kann nicht dafür, daß du's vergessen hast! Aber ich habe mir gemerkt, was da steht. Seite Teneriffa: ›1. Tag. Dieser Staatsempfang macht es mir nun unmöglich, Trosky auf Teneriffa zurückzulassen!‹ Jawohl, so steht es da! Mich zurückzulassen! Du bist ein hinterhältiger Hund, Peer!«
»Wir hätten natürlich vorher eingehend darüber gesprochen und diskutiert.«
»Natürlich! Und demokratisch abgestimmt: Flosse hoch, wer dafür ist! Gegenprobe! Keine Gegenstimme, Antrag einstimmig angenommen. Jan Trosky, verschwinde!« Er lachte, es klang gefährlich. »Das könnte euch so passen! Ich bleibe bis zum Ende bei euch. Ich habe einen wissenschaftlichen Auftrag übernommen. Wir haben darüber sogar einen Vertrag gemacht. Da kommst du nicht mehr 'raus! Mich auf Teneriffa zurücklassen! Kennt ihr mich noch immer nicht?!«
»Diese Frage hättest du nicht stellen dürfen!« sagte Losskow gepreßt. »Meine Antwort kann nur heißen: Hätten wir dich doch nie kennengelernt!«
»Das sagte auch der Opa zur Oma am 50. Hochzeitstag, aber da war's zu spät! Wir vier sind eine Ehe eingegangen – hoffentlich nicht, bis daß der Tod uns scheidet …«
Pünktlich um sieben kam Helena mit einem Taxi und ging an Bord. Der Chauffeur trug einen Karton, der den Plattenspieler und die Schallplatten enthielt. Helena begrüßte Losskow und Trosky mit einem Kuß, zog sich sofort um und erschien wenig später in ihrem Trainingsanzug an Deck.
Lucrezia wurde zwanzig Minuten später gebracht. Ein weißer Oldsmobil hielt an der Mole, Luzi stieg aus, küßte zum Abschied einen unsichtbaren Mann durch das Autofenster und winkte ihm nach, als der schwere Wagen sich schnell wieder entfernte. Das war alles so unkompliziert, daß Trosky beifällig sagte: »Bravo! Man weint ja auch nicht, wenn man eine Flasche leergetrunken hat!«
Auch Lucrezia zog sich sofort um und kam an Deck. Man sah ihr die vermutlich schlaflose Nacht nicht an. Sie lachte und war voller Tatendrang. Trosky stieß Losskow in die Seite und murmelte: »Donnerwetter!«
Noch bei fahlem Himmel, den nur im Osten ein rotvioletter Streifen aufhellte, während ein weißer Wolkenkranz sich in der Mitte des Teide wie ein Kragen rund um den mächtigen Bergkegel spannte, legten sie mit Fock, Genua II und Spinnaker ab und segelten zügig hinaus in das Meer. Die Mädchen standen an den Segeln, Losskow saß am Ruder, und Trosky rollte die losgeworfenen Leinen zusammen.
»Werden die staunen!« sagte er. »Wenn die mit ihrer Musik ankommen, und wir sind schon weg! Welchen Kurs nehmen wir?«
»Direkt! An der Südküste entlang und dann ab in die Weite zu den Kapverdischen Inseln. Nächste Station: Die Insel São Tiago. Wir werden die Kapverdenschwelle überqueren. Da kann es noch einmal verdammt blasen!«
Die Helu machte gute Fahrt. Als die Sonne voll aus dem Meer stieg und die Schneekuppe des Teide wie mit Kristallen überzogen glitzern ließ, war das nur noch ein ferner Gruß von einer Insel, auf der sich die letzte Chance geboten hatte, die Weltumseglung mit Anstand abzubrechen.
Was ihnen jetzt bevorstand, konnte nach allen Erfahrungswerten die Belastbarkeit des Menschen überfordern.
Sieht man davon ab, daß sie innerhalb von sieben Tagen zweimal in einen mäßigen Sturm gerieten, verlief die Fahrt ohne Zwischenfälle oder Höhepunkte. Die beiden Stürme brachten es allerdings mit sich, daß sie vom Kurs abkamen und sich in einem weiten Bogen den Kapverdischen Inseln näherten.
Das hatte etwas
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