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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zurück, wenn eine größere Welle es seitlich wegdrückte.
    Trosky hatte sich beruhigt, obgleich Lucrezia ihn immer wieder provozierte. Sie lag auf dem Kajütendach oder hockte an der Bugreling und angelte. Einmal – es war zwischen Madeira und den winzigen Ihlas Selvagens – hatte sie einen größeren Fisch an der Schnur, den sie nicht aus dem Meer ziehen konnte. Der Fisch kämpfte verzweifelt gegen den Haken in seinem Maul, schnellte herum, tauchte weg, blieb stehen und raste dann los, bis Lucrezia schrie: »Hilft mir denn keiner? Ich bekomme ihn nicht heraus! Er zerreißt mir noch die Leine! Kommt her!«
    Trosky turnte nach vorn zu Lucrezia, gab ihr einen Klaps auf den Hintern und nahm ihr die Angel ab. Er gab noch etwas Schnur nach, zog dann wieder heran und sah den Fisch aus dem Wasser schnellen.
    »Ein Prachtexemplar!« rief Trosky. »Ein junger Hai! Noch ein Kindchen!«
    »Hier gibt es keine Haie!« sagte Helena. »Wir sind im Atlantik.«
    »Es ist ein Katzenhai! Harmlos! Seht ihr die Punkte auf dem Leib? Ich wette, es ist einer! Na, dann wollen wir mal, Baby! Luzi, halt den Kescher bereit! Den holen wir raus und legen ihn in die Pfanne!«
    Es war ein Kampf, der fast eine halbe Stunde dauerte. Dann hatte Trosky den kleinen harmlosen Katzenhai so müde gemacht, daß man ihn mit dem Kescher einfangen und an Bord heben konnte. Er schlug noch um sich, versuchte, sich wegzuschnellen, aber Trosky lachte nur, nahm aus dem Gürtel ein scharfes Messer und stieß es dem Fisch in den Nacken. Dann riß er es wieder heraus und schlitzte ihm den Leib auf. Helena wandte sich ab und ging zur Plicht.
    »Der Lady wird kotzübel!« jubelte Trosky. Er warf die Eingeweide des Katzenhais über Bord und hob den Fisch an der Schwanzflosse hoch. Obgleich er ausgeweidet war, zuckte der schimmernd glänzende schlanke Körper noch immer, der Kopf ruckte vor, als könne er noch zubeißen. »Nerven muß man haben!« schrie Trosky. »Nerven wie ein Fisch! Der macht es uns vor!« Er packte den Katzenhai an der Schwanzflosse und schlug den Kopf ein paarmal auf die verchromte Reling. Nach dem fünften Schlag erlosch jede nervliche Reaktion.
    »Das Abendessen bereite ich!« sagte Trosky. »Haisteak mit Sahnesoße! Mild gewürzt. Himmel noch mal, das gibt einen Eiweißstoß! Luzi paß auf dich auf!«
    »Ich krieg' keinen Bissen herunter!« sagte Helena, als Trosky unter Deck verschwunden war. »Hast du das gesehen, Peer? Er hat den Fisch nicht getötet, er hat ihn ermordet! Bestialisch ermordet! Er lebte noch, als er ihn aufschlitzte.«
    »Dann dürftest du nie mehr Fisch essen«, sagte Losskow. »Glaubst du, auf den Trawlern stellen sie den Tod mit dem Stethoskop fest? Aber du hast recht, was Trosky da gemacht hat, das war nicht nötig.«
    »Genauso wird er mit anderen umgehen – auch mit Menschen!« sagte sie leise. »Manchmal glaube ich, er ist ein Ungeheuer mit menschlichen Zügen. Plötzlich wirft er die Hülle ab, und wir haben ein Monster vor uns!«
    »Auf Teneriffa wird alles anders werden.« Losskow las die Windgeschwindigkeit ab; der kleine Metallpropeller auf dem Meßinstrument drehte sich lustig im Wind. »Morgen gegen Mittag sind wir da. In Santa Cruz werfe ich Jan von Bord! Es geht wirklich nicht mehr! Ich blase das Unternehmen ab.«
    »Das darfst du nicht, Peer!« Sie sah ihn betroffen an. »Wir sind durch Spenden finanziert. Die Firmen werden ihr Geld zurückfordern. Und dann die Presse! Dieses Hohngelächter! Weltumsegelung scheitert an einem sextollen Mann! Wie halfen sich da Ihre Wikinger, Herr Losskow?! – Du bist erledigt, wenn du aufgibst!«
    »Wir sind alle erledigt, wenn wir weitermachen! Ich habe einen schrecklichen Verdacht, Helena.«
    »Trosky ist nicht normal. Das habe ich auch schon gedacht.«
    »Er ist ein Psychopath! Ein Manisch-Depressiver! Er gehört eigentlich unter Aufsicht.«
    »Oder er ist ein Sadist und spielt uns diese Rolle vor, um uns außer Atem zu bringen. Er weidet sich an unseren Reaktionen, die er vorausberechnet hat. Er lauert geradezu darauf, daß wir aus der Haut fahren, und dann hat er seinen Spaß. – Ich weiß wirklich nicht, wie ich ihn einordnen soll.«
    »Wir sollten uns keine Gedanken mehr darüber machen«, sagte Losskow. »In Santa Cruz ist für Trosky das Ende der Fahrt.«
    Bald segelten sie, nur mit Fock und Genua II, gemächlich in den Hafen von Santa Cruz auf Teneriffa hinein und wunderten sich, daß ihnen ein Schnellboot der Hafenmeisterei entgegenbrauste und sie umrundete.

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