Die Fahrt nach Feuerland
Unbekannten neugierig an. An niedrigen Stangen hingen Netze zum Trocknen. Vier alte Frauen hockten vor einem verfallenen Schuppen und flickten an anderen die Löcher aus. Kinder spielten zwischen an Land gezogenen Kähnen und umgestülpten Flechtkörben. Aus einer Garage erklang lautes Knattern, ein halbnackter, schwitzender Mann reparierte sein Motorrad.
Plötzlich, als sei er herbeigezaubert, stand ein Polizist vor ihnen. Er war einer der kapverdischen Kreolen, die siebzig Prozent der Bevölkerung ausmachen. Er trug eine saubere Uniform und sogar zwei Ordensbändchen an der linken Brust. Ausgerechnet Trosky hielt er am Ärmel fest und fragte ihn etwas.
»Loslassen!« sagte Trosky milde. »Sonst spucke ich dir aufs schwarze Auge!«
Da keiner den anderen verstand, grinsten sie sich an. Der Polizist sprach weiter, in einem afrikanischen Portugiesisch, das man Crioulo nennt.
»Zeigen Sie Ihren Paß!« sagte der Polizist. »Auch wenn Sie mit einem Boot kommen, reisen Sie ein. Haben Sie ein Visum? Wo ist Ihr Impfzeugnis? Ihre Flagge ist deutsch. Kommen Sie aus Deutschland?«
›Alemanha‹ – das war das einzige, was auch Losskow verstand. Er nickte, holte seine Schiffspapiere aus der Umhängetasche und reichte sie dem Polizisten. »Sprechen Sie englisch?« fragte er. »Oder französisch?«
Der Polizist schüttelte den Kopf und blickte in die Papiere. Es war offensichtlich, daß er damit nichts anzufangen wußte. Er wußte nur eins: Das war kein Paß. Das war kein Visum. Deutsche waren an Land gekommen und wollten einfach herumbummeln. Als wenn man ein Urwaldstaat wäre! Der Nationalstolz der neuen Kapverdischen Republik regte sich. Der Polizist steckte die Papiere ein und winkte. Das war ein internationales Zeichen und hieß: Mitkommen!
»Wie sich die Menschen in aller Welt doch gleichen, wenn sie ein bißchen Macht ausüben dürfen!« sagte Trosky fröhlich. »Paßt mal auf, was gleich passiert! Da wird an irgendeinem Schreibtisch ein Dicker mit Nickelbrille sitzen und uns aufklären, daß wir ganz armselige Würstchen sind.«
»Was sollen die Frauen dabei? Die können doch schon immer einkaufen!« sagte Losskow und blieb stehen.
»Mach ihm das mal klar!« sagte Trosky. »Für den ist das Widerstand gegen die Staatsgewalt!«
»Das ist ganz einfach!« Lucrezia schob sich an die Seite des Polizisten, wölbte ihren Brustkorb heraus und lachte ihn an. Der Polizist grinste, blickte ungeniert auf Lucrezias Brust und nickte.
»So ein Ferkel!« sagte Trosky. »Ich weiß genau, was er jetzt denkt!«
»Wir wollen etwas zu essen holen!« sagte Lucrezia in einem grauenhaften Spanisch. Und dann zählte sie auf, was sie kaufen wollte: Wasser, Wein, Fleisch, Mais, Maniok, Kartoffeln, Kaffee, Bohnen, Erbsen, Käse und Konserven. Dabei unterstrich sie gestenreich jedes Wort; es war fast unmöglich, sie nicht zu verstehen.
Der Polizist nickte, blickte noch einmal auf Lucrezias Busen und zögerte.
»Nun entschließe dich, Knabe!« sagte Trosky drohend. »Du hast schon mehr gesehen, als du an Gegenleistung erbringen kannst!«
Der Polizist hob die Hand. Trosky zog das Kinn an.
»Wenn er sie jetzt angrapscht, kleb' ich ihm eine! Auch wenn das diplomatische Verwicklungen zwischen Prag und Praia zur Folge hat!«
»Sie können gehen!« sagte der Polizist großzügig. »Kaufen Sie ein!«
Er machte eine Handbewegung, die wohl bedeuten sollte: Bitte sehr, Tarrafal steht zu Ihrer Verfügung.
»O danke!« sagte Lucrezia mit betörendem Augenaufschlag. Dann beugte sie sich schnell vor und gab dem Polizisten einen Kuß auf die Backe.
»Eins zu null für dich!« knurrte Trosky. »Ihr Lieben, vergeßt nicht, auch Schnaps einzukaufen! Wir haben nur noch drei Flaschen Whisky an Bord!«
Während die Männer mit dem Polizisten weitergingen, bummelten Helena und Lucrezia die Hafenstraße hinunter. Trosky stieß Losskow mit dem Ellenbogen an.
»Womit bezahlen wir eigentlich? Haben wir Escudos?«
»Nein. Dollars.«
»Und die nehmen Dollars an?«
»Aber sicher.«
»Auch die Polizei?«
»Wieso die Polizei?«
»Ich nehme an, daß wir gleich einen langen Fragebogen ausfüllen müssen. Und je nachdem, was unter dem Fragebogen liegt, wenn wir ihn zurückschieben, wird er sofort oder erst nach zwei Tagen bearbeitet. Deshalb meine Frage.«
»Wir werden sehen. Noch wissen wir überhaupt nicht, weshalb wir abgeführt werden. Die Schiffspapiere sind in Ordnung.«
»Aber es lag keine Banknote dabei! Also fehlte etwas.«
Das Gebäude der
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