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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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portugiesischen Zeit, als der Fremdenverkehr noch eine Einnahmequelle war. Seit die Inseln selbständig geworden waren, also seit 1975, kam kaum noch jemand nach Tarrafal, und das Reiseandenkengeschäft setzte dicken Staub an.
    »Ich gebe Ihnen meinen Lehrling mit, mesdames«, sagte der Kaufmann. »Er wird mit einer Karre alles zum Hafen bringen. Gute Fahrt! Viel Glück! Wollen Sie hinüber nach Guinea Bissau?«
    »Nein, nach Feuerland«, sagte Luzi fröhlich.
    »Wohin bitte?« Der Kaufmann starrte die beiden Mädchen entgeistert an.
    »Rund um Kap Horn.«
    »Mit einem kleinen Segelboot?«
    »Ja.«
    »Das ist doch ein Witz!«
    »Uns macht es auch Spaß!«
    Als sie die Straße hinuntergingen, hinter ihnen der kleine schmächtige Lehrjunge, der nicht älter als zehn sein konnte, blickte ihnen der Kaufmann nach. Es gibt viele Verrückte auf der Welt, dachte er und betrachtete fast traurig Lucrezias schwingende Hüften. Aber gleich nach Feuerland segeln, mit einer Nußschale? Wir werden die appetitlichen Mädchen nie wiedersehen. Schade drum. Er seufzte, betrachtete die Dollarschecks in seiner Hand und beschloß, noch heute in die Hauptstadt Praia zu fahren und sie bei der Bank einzulösen.
    Der Rückweg führte die Ahnungslosen bei der Polizei vorbei, wo Trosky und Losskow ihre wortreichen Verhandlungen mit dem Polizeichef zu einem guten Ende führten.
    Die Helu dümpelte verlassen an ihren Nylonseilen am Kai. Die wenigen Fischerboote waren an Land gezogen worden, zwei größere Kutter schienen verlassen zu sein, kein Mensch war zu sehen, die Hitze war bestialisch, staubtrocken, durchsetzt von feinstem Sand, den der Wind, der gefürchtete Nordostpassat, aus der Sahara herübertrieb. Dieser Sand war rötlich, wie Mehl so fein, fast schon Staub, und setzte sich überall fest. Er überzog Häuser und Felder, Straßen und Dächer, die Boote und die Bäume, er knirschte zwischen den Zähnen, setzte sich in die Nasenlöcher und verdichtete sich dort zu Pfropfen.
    Als Helena und Lucrezia ihr Boot erreichten, fiel ihnen nichts auf. Aber der kleine Junge mit seiner vollbeladenen Karre blieb ruckartig stehen, starrte auf das Schiffchen, kippte dann mit einer schnellen Bewegung der Arme die Karre herum, ließ die Kartons auf den Kai poltern, riß die Karre weg und lief wortlos davon. Entgeistert starrte Helena auf den Haufen und auf den davonrennenden Jungen.
    »Mit dieser Höflichkeit wird er nie Filialleiter!« sagte Luzi trocken. »Erst die Polizei, jetzt der! Wir sind hier nicht willkommen, ich weiß nicht, warum. Also gut, schleppen wir das Zeug selber an Bord!«
    Sie nahm den Whisky-Karton, wuchtete ihn auf ihre Schulter und rückte ihn zurecht. Helena griff in die Kunststoffhenkel ihrer beiden Waschpulvertonnen. Auch jetzt war sie wieder erstaunt über die Kraft und Zähigkeit, die in Lucrezias schönem, so zerbrechlich wirkenden Körper verborgen lag. Zwölf Flaschen Whisky wiegen einiges, aber sie schritt über die Gangway, als trage sie einen leeren Karton. Ein zähes Luder, dachte Helena. Wenn wir in die verdammten Stürme kommen, kann man mit ihr rechnen – im Gegensatz zu mir. Ich habe Angst, wenn ich an Kap Horn denke und an die Drehwinde von Feuerland.
    Sie betraten das Deck, setzten ihre Kisten ab und blickten zurück zu dem Haufen Lebensmittel, der noch auf dem Kai lag.
    »Unser Stauraum ist nicht aus Gummi«, sagte Lucrezia. »Ich ahne einen Riesenkrach mit Peer! Wir sind überladen.«
    »In vierzehn Tagen hat Trosky die Hälfte weggefressen.«
    »Mach du das mit Peer, deinem Liebling, aus!«
    Sie ging zum Abgang und blieb erstaunt stehen. Die Tür zum Salon stand offen. Sie konnte sich aber erinnern, daß Peer sie zugeschlossen hatte. Einen zweiten Schlüssel besaß Helena.
    »Die sind schon da!« sagte Luzi.
    »Wieso?« Helena, die gerade wieder an Land wollte, um die nächsten Kartons zu holen, blieb stehen.
    »Die Tür ist offen!«
    »Und sie hören uns nicht?«
    »Das haben wir gleich.« Lucrezia hieb mit der Faust auf das Salondach und beugte sich nach vorn zur Treppe. »Kommt rauf, ihr faulen Hunde!« schrie sie. »Laßt uns nicht alles alleine schleppen!«
    Nichts rührte sich unter Deck. Lucrezia sah zu Helena hinüber, hob die Schultern und schüttelte den Kopf. »Die mache ich jetzt flott!« rief sie.
    Sie stieg die Treppe hinab, trat in den Salon und wurde von zwei Händen gepackt, die ihr die Augen zuhielten. Zwei andere Hände rissen ihr die Arme nach hinten. Gleichzeitig fiel die Tür zu. Einen

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