Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
eingehakt und alle Segel bis auf das Fock gerefft. Mit sanfter Fahrt glitt die Helu durch das kaum bewegte Meer. Die Nacht war hell und mäßig warm; die Sichel des abnehmenden Mondes lag auf dem Rücken, was jeden Fremden in südlichen Breiten zunächst fasziniert. Trosky setzte sich Losskow gegenüber, breitete die Arme über der Reling aus und blickte mit zurückgelegtem Kopf in den fahlschwarzen Himmel.
    »Ich habe mich immer gefragt«, sagte er nach einer Zeit des Schweigens, »warum die großen Seefahrer nebenberuflich fast immer auch Seeräuber waren. Zum Beispiel Francis Drake, den die englische Königin sogar geadelt hat. Und auch die großen Helden, deine Vorbilder – Vasco da Gama, Magellan, Cook, John Cabot, Pedro Albares Cabrai, Almeida, Da Cunha, Quiros oder wie sie alle heißen – auch die erforschten die Meere durchaus nicht zimperlich. Wer hat zuerst die australische Küste erreicht? Der englische Seeräuber William Dampier. Und wie war das mit dem berühmten Captain Bligh und seiner ›Bounty‹? Idealisieren wir doch nichts! Wo die großen Herren auftauchten, knallten die Büchsen, bluteten die Eingeborenen, schleppte man die fremden Weiber in die Betten, sammelte man Gold und Edelsteine ein und hinterließ als Gegengabe die Bibel und das Kreuz! Und wer das nicht tat, wer seinen Leuten eine solche Abwechslung nicht gönnte, den wollte man an den Mast hängen! Warum wurde auf diesen Expeditionen gemeutert? Warum mußte Columbus zu dem Trick mit dem stehenden Ei greifen? Um seine Leute in Ruhe zu halten, weil sie sonst durchgedreht hätten. Wochenlang nur Meer, Wind oder Flaute, schimmeliges Wasser, steinharter Keks, Salzfleisch, Fisch oder madiges Mehl. Und kein Weib an Bord! Das war schlimmer als alle echten oder eingebildeten Meerungeheuer! Der Mensch zerbricht in der Eintönigkeit!«
    »Aber sie hielten durch!« sagte Losskow ruhig. »Sie entdeckten alle afrikanischen Küsten, sie kamen nach Westindien, nach Australien, in die Südsee, sie umsegelten Südamerika, sie landeten in Indien und Ceylon, sie drangen bis in die Eismeere vor. Trotzdem! Das machte sie so groß! Sie hielten durch!«
    »Weil sie zwischendurch anderen Menschen die Schädel einschlugen und deren Frauen vergewaltigten?« fragte Helena.
    Und Losskow spottete: »Was willst du eigentlich? Sollen wir Tanker und Frachtschiffe überfallen, damit du für Feuerland richtig in Stimmung kommst?«
    »Ich will dir nur anhand der Historie beweisen, daß ich kein Ungeheuer bin! Damals war es ganz natürlich, wenn Aggressionen sich entluden. Nur du verlangst von uns, daß wir wie Engel um die Erde schweben!«
    »Ist das deine Entschuldigung?«
    »Ich brauche mich nicht zu entschuldigen!« Trosky atmete tief durch. »Ich suche bei dir nur Verständnis.«
    »Das wirst du kaum finden. Du siehst ja in allen nur den Gegner.« Losskow streckte den Arm weit aus und zeigte über das Wasser. »Dabei haben wir nur einen einzigen Gegner. Das Meer!«
    »Mit dem werde ich fertig!« sagte Trosky laut.
    »Aber nicht mit dir!«
    »Wir sollten in São Tiago etwas an Bord nehmen, was man zerstören kann«, sagte Trosky dumpf.
    Losskow sah ihn forschend an. »Auch das noch! Aber bitte! Was darf es sein?!«
    »Ich weiß es nicht! Wie kann ich das jetzt sagen?! Aber ich werde schon etwas finden. Ich habe gelesen, daß sie damals auf den Schiffen mit Stroh gefüllte Säcke mitnahmen, an denen sie Messerwerfen übten. Und was macht man heute auf den schwimmenden Städten, den Flugzeugträgern? Allein auf der amerikanischen ›Nimitz‹ leben fünftausend Mann! Was ist die Hauptsache an Bord aller Schiffe, wo man monatelang auf engstem Raum miteinander leben muß? Sport! Sich austoben im Sport! Warum die Festessen auf den Luxuslinern, die Bordbälle, das Maskenfest, die Spieldecks, Kino, Theater, Vorträge, Tanz? Man würde schon nach einer Woche nur noch Verrückte ausladen, wenn man nichts weiter zu bieten hätte als nur Natur! Himmel und Meer, Sonne und Wind … Dichter mögen das besingen. Einen normalen Menschen bringt das um! Und wir sollen nach Monaten auf dem Wasser so engelrein aus dem Boot steigen, wie wir abgesegelt sind?! Da hätte ich Rom vorher benachrichtigt: Paßt auf! Irgendwo, vielleicht in Huwa Siwa, kommen vier Heilige an Land!«
    »Was soll das alles, Jan?« fragte Losskow. »Willst du in São Tiago aussteigen?«
    »Das wäre ein Triumph für dich, was?«
    »Es wäre besser für uns alle.«
    »Und du fährst mit den Mädchen allein

Weitere Kostenlose Bücher