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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Moment war Lucrezia wie gelähmt, dann spannten sich ihre Muskeln wie die einer Raubkatze. Aber sie wehrte sich nicht. Es war unmöglich, sich aus den Griffen zu befreien. So blieb sie wie erstarrt stehen und wartete ab. Ekel überfiel sie. Die Hände, die ihr die Augen zuhielten, stanken nach Fisch oder Tran.
    Eine leise Stimme sprach auf sie ein. Die Worte verstand sie nicht; es war Crioulo, das afrikanisierte Portugiesisch, das siebzig Prozent der Kapverden sprechen.
    »Sprechen Sie französisch?« fragte eine dunkle Stimme hinter ihr. Lucrezia atmete auf.
    »Ja!« sagte sie böse. »Ihr seid Idioten!«
    »Das wird sich zeigen. Rufen Sie Ihre Kollegin!«
    »Und wenn ich es nicht tue?«
    »Drücken wir Ihnen den Hals zu und holen sie uns mit einem Trick. Es wäre schade, ich will keinen Mord! Ich verabscheue Gewalttaten.«
    »Ein schöner Zug von Ihnen. Man spürt's!«
    »Ein Überfall ist keine Gewalttat.«
    »Das muß man erst einmal wissen! Es gibt da feine Unterschiede, was?«
    »Rufen Sie nun – oder nicht?« fragte die dunkle Stimme hinter ihr.
    »Um weiterzuleben, tue ich alles!«
    »Aber ohne Unterton!«
    »Ich werde mir Mühe geben.« Man drehte Luzi herum zur Treppe, sie hörte, wie die Tür wieder aufschwang und gegen die Wand schlug.
    »Rufen Sie!«
    Lucrezia holte tief Luft. »Blondie!« schrie sie. »Komm mal her! Hier ist was los!« In diesem Moment erst fiel ihr ein, daß die Männer, die sie festhielten, vermutlich kein Deutsch verstanden; sie hätte schreien können, was sie wollte. Aber zu einem neuen Ruf kam sie nicht. Eine Hand legte sich schwer auf ihren Mund. Ich könnte reinbeißen, dachte sie. Er wird aufschreien, die Hand zurückziehen, ganz aus dem Reflex heraus, und dann kann ich schreien: Lauf! Lauf! Überfall! – Aber was bringt es ein? Sie werden mich umbringen. Heldentum ist in den seltensten Fällen sinnvoll.
    »Sie kommt!« sagte die dunkle Stimme hinter ihrem Ohr. »Jetzt keine Bewegung!«
    Sie wurde zur Seite gezerrt, an die Salonwand gedrückt, die Tür klappte wieder zu. Auch für Helena mußte die Überraschung vollkommen sein, wenn sie beim Betreten der Kajüte gepackt wurde.
    Es geschah alles mit einer unheimlichen Präzision. Helena kam die Treppe herunter, ziemlich eilig und voll Sorge, denn wenn Luzi rief: »Hier ist was los!«, dann konnte das nur bedeuten, daß es zwischen Peer und Trosky wieder eine Explosion gegeben hatte – und wer weiß, mit welchen Folgen?
    In Sekundenschnelle war auch Helena überwältigt. Man hielt ihr nicht die Augen zu, sie wurde von der untersten Treppenstufe in den Salon gerissen und gegen die Wand geworfen. Noch beim Fallen sah sie, wie Lucrezia von einem kleinen dicklichen Mann mit Glatze festgehalten wurde. Und sie sah auch ihren Gegner, einen großen, schlanken Burschen mit schmalem Schnurrbart und schwarzem Lockenhaar. Dann fiel sie hin, blieb auf den Knien liegen und wartete ab. Die Arme hatte sie schützend über ihren Kopf gelegt.
    »Ich nehme an, Sie sprechen auch französisch?« sagte die dunkle Stimme.
    »Ja«, antwortete Helena. Sie drehte sich um. Die Tür zum Deck war wieder geschlossen, Lucrezia stand allein ihr gegenüber an der Wand. Die beiden Männer, der Schwarzgelockte und der Glatzkopf, lehnten nebeneinander an der Kochecke, Lucrezia hob bedauernd die Hände.
    »Ich mußte rufen!« sagte sie auf französisch. »Sie hätten mich sonst erwürgt.«
    Es war der große Gelockte, der jetzt sprach. Seine Stimme war angenehm, aber kalt. »Wir haben ein Problem«, sagte er. »Und wir sind der Ansicht, daß Ihr Boot genau das ist, was uns dieses Problem lösen hilft. Sie können segeln?«
    »Nein!« warf Luzi schnell ein.
    »Lügen Sie nicht! Es hat keinen Zweck. Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Haben Sie schon mal etwas vom Tschad gehört? Ein entsetzlich armes Land mitten in Zentralafrika. Wer kennt es schon! Man weiß allenfalls, daß dort Tausende verhungern, daß es Revolutionen gibt, daß sich die Stämme langsam, aber gründlich abschlachten und daß Frankreich die Hand darüber hält, allein aus strategischen Gründen. Ich war Fremdenlegionär. Sie wissen, was das ist? Man hat mich mit zweihundert anderen sogenannten Freiwilligen in den Tschad geflogen, um dort Ordnung zu schaffen. Es war ein Auftrag, den man auch nennen könnte: Nun verdorrt mal schön, zum Wohle Frankreichs! – Da bin ich desertiert. Ich brauche nicht zu sagen, was man mit desertierten Fremdenlegionären macht, wenn man sie wieder

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