Die Fahrt nach Feuerland
Motive kennenlernen.« Depallier klatschte in die Hände. »Voilà, da ist sie. Wie ich's mir gedacht habe: Atemberaubend!«
Lucrezia war die Treppe heraufgekommen. Sie trug einen goldfarbenen Bikini, der so knapp war, daß man sich wunderte, weshalb er nicht bei der geringsten Bewegung zerriß.
Sie stolzierte an Helena und Maurice vorbei, legte sich dekorativ auf die Planken und zog die Knie an. Der Glatzkopf Silva glotzte fassungslos, bis ein Wink von Depallier ihn zum Bug scheuchte.
»Ich schlage vor«, sagte Maurice, »wir gehen an Ihren Weinvorrat und suchen uns eine gute Flasche aus. Sie haben einen vorzüglichen Bordeaux an Bord.«
»Ihre Nerven möchte ich haben!« Helena fuhr sich mit beiden Händen durch das zerzauste Haar. »Wissen Sie, was jetzt auf der Insel los ist?«
»Hören oder sehen Sie etwas?«
»Es wird nicht lange dauern!«
»Und es wird sich wieder entfernen. Ob Boote oder Flugzeuge – gefährlich wird es erst, wenn wir uns wieder herauswagen, um nach Maio zu segeln.«
»Was wollen Sie in Maio?«
»Dort kann ich mich besser verstecken und komme ungehindert mit einer kleinen Maschine der Transportes Aéreos de Cabo Verde zum internationalen Flughafen von Sal. Das klingt komisch, ist aber so. In Maio habe ich viele Freunde. Aber nach dem, was ich hinter mir habe – und dazu rechne ich auch die Tage mit Ihnen – kann ich Freunde nicht gebrauchen. So gute Freunde gibt es hier nicht. Überhaupt Freundschaft! Gibt es die noch? Wirkliche Freundschaft habe ich nur in der Legion kennengelernt. Freundschaft bis in den Tod. Aber gerade von da bin ich desertiert.«
»Mein Gott, werden Sie jetzt nicht sentimental. Bloß das nicht!«
»Wir sollten etwas trinken, Helena.«
»Bringt mir einen mit!« sagte Lucrezia. Sie hatte vorzügliche Ohren. »Und bleibt nicht unter Deck. Der Glatzkopf steht schon auf dem Sprung.«
»Ich hole eine Flasche.« Helena stand auf. Fast im selben Augenblick ertönte von fern Motorengebrumm, das in ein Knattern überging. Depallier zeigte mit dem Daumen nach oben und nickte lächelnd.
»Ein Hubschrauber. Alle Achtung! Sie lassen sich die Suche was kosten. Hätte ich nicht gedacht. Meine Damen, es tut mir leid, aber wir werden wohl einige Tage zusammenbleiben müssen. Bis sich die große Aufregung in Tarrafal gelegt hat.«
Sie lauschten nach oben, der Hubschrauber mußte sehr niedrig fliegen, denn man hörte deutlich das Schnattern der Rotorflügel, aber dann entfernte er sich wieder, nachdem er anscheinend einige Kreise gezogen hatte.
»Dieses Planquadrat ist für ihn abgehakt«, sagte Maurice zufrieden. »Nach aller Logik sind wir jetzt sicher. Mein Plan geht voll auf.«
»Es gibt immer Überraschungen, Maurice!« Lucrezia rekelte sich. Aus dem Blickwinkel von Depallier mußte sie unwiderstehlich einladend aussehen. »Wenn ich nun nachts durch die Felsen klettere?«
»So dumm werden Sie nicht sein!«
»Sie sind sehr gutgläubig, Maurice. Für Ihren Beruf ist das nachteilig, finden Sie nicht auch?«
»Ihre Reden könnten mich zwingen, Sie die Nacht über mit Jorge Silva einzuschließen.«
Lucrezia hob den Kopf und blitzte ihn an. »Dazu wären Sie fähig?«
»Ja. Von mir aus können Sie sich wieder anziehen. Ihren Körper kenne ich jetzt.«
»Und so etwas nennt sich Franzose?«
Helena kam zurück. Auf einem Tablett brachte sie vier Plastikgläser und eine Flasche Bordeauxwein, bereits entkorkt. Sie setzte das Tablett auf einen Klapptisch und winkte ab, als Depallier etwas sagen wollte.
»Nun protestieren Sie nicht gleich, Maurice! Ich weiß, daß einem Franzosen ein Schauer über den Rücken läuft, wenn er Bordeaux aus Plastikbechern trinken soll. Aber als wir absegelten, konnten wir nicht ahnen, daß wir einen Gourmet an Bord bekommen.« Sie goß den glutroten Wein ein und reichte Lucrezia zwei Becher. »Einen für Silva.«
»Der wird unter seinem heißen Blick verdunsten!«
»Das liegt an dir.«
Sie wartete, bis Lucrezia zum Bug gegangen war. Dann setzte sie sich neben Depallier. Er nahm seinen Becher, stieß mit Helena an und trank einen langen Schluck. »Köstlich!« sagte er beim Absetzen. »Trotz Plastik! Wissen Sie, wann ich meinen letzten Bordeaux getrunken habe? Vor sieben Monaten in einer Bar in Lagos. Ich kam gerade als Deserteur aus dem Tschad und sah verwegen aus. Eine amerikanische Touristin gabelte mich auf der Straße auf, nahm mich mit ins Hotel und in ihr Bett und hielt mich zehn Tage lang als Liebesmaschine. Dafür konnte ich
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