Die Fahrt nach Feuerland
von der Stelle kamen. Erst am Nachmittag füllte sich das Segel mit Luft und trieb die Helu weiter.
Gegen Abend sahen sie am Horizont Land, Felsen, die sich aus dem Meer hoben. Lucrezia begann wie eine Irre zu tanzen, fiel Helena um den Hals, weinte vor Erleichterung und Freude und faltete sogar die Hände, als sie näher kamen und zu erkennen glaubten, daß es die Nordwestküste von São Tiago war.
»Wir sind wirklich da!« sagte Helena, als sie nahe der Küste nach Norden segelten und das Kap umrundeten, hinter dem das Städtchen Tarrafal liegen mußte. »So viel unverschämtes Glück glaubt uns keiner. Das widerspricht allen Seemannsregeln! Wir haben keine Ahnung von Navigation und kommen trotzdem hin. Luzi, wir müssen einen Schutzengel haben.«
»Zu dem bete ich ja schon«, sagte Lucrezia mit stockender Stimme. »Ich beginne wieder an Wunder zu glauben.«
Mit einem Sonnenuntergang, der Land und Meer und Himmel in einen Feuerschein tauchte, wie ihn Helena noch nie erlebt hatte, glitten sie in den kleinen Hafen von Tarrafal. Sie legten an der gleichen Stelle am Kai an, wo sie vorher vertäut gewesen waren, und schoben die Gangway an Land. Der Polizist, der gerade um die Ecke der Hafenstraße bog, blieb wie von einem Faustschlag getroffen stehen, starrte auf das Segelboot, warf sich mit einem geradezu artistischen Körperschwung herum und rannte zum Polizeigebäude.
»Sie sind da!« brüllte er. »Sie sind wieder da! Kommen da einfach an, als sei nichts geschehen!«
Das Verhör mußte sein, das war der Polizeichef seiner Position und den Behörden in der Hauptstadt Praia schuldig, denn man hatte vier Tage lang intensiv gesucht. Der Hauptmann war auch noch da, begrüßte die Damen galant mit Handkuß, nachdem man Peter und Trosky in einem Nebenraum Gelegenheit gegeben hatte, mit ihnen das Wiedersehen zu feiern.
Helena fiel Peter um den Hals und küßte ihn. Zum ersten Mal verbarg sie ihre Gefühle nicht und hing an seinem Hals wie ein kleines Mädchen. Trosky und Lucrezia standen einander gegenüber, Trosky wie immer mit verschlossener, finsterer Miene, einen Zug von Menschenverachtung in den Mundwinkeln.
»Wenn ich dir jetzt auch um den Hals falle, ist das keine Aufforderung, mich ins Bett zu tragen!« sagte Lucrezia mit rauher Stimme. Trosky zog bei diesem fremden Ton die Brauen hoch.
»Ich bin bereit!«
»Blöder Hund!« Sie umarmte ihn, küßte ihn, Trosky benahm sich sehr ungelenk, ließ die Küsse über sich ergehen und legte dann den Arm um Helena, als diese bei Peter den Platz für Lucrezia frei machte.
»Nachdem wir uns weidlich abgeleckt haben«, sagte Trosky schließlich, »wäre es interessant, zu erfahren, wo ihr herkommt.«
»Von Maio!« rief Lucrezia.
»Entzückend! Kleiner Ausflug, wie?«
»So ähnlich.« Helena schob die Haare aus dem Gesicht. »Man hat uns gekapert und gezwungen, nach Maio zu segeln.«
»Also doch! Keiner wollte das glauben!« Peter stieß die Fäuste zusammen.
»Und den Orkan haben sie auch überlebt!« Trosky packte Lucrezia an den langen Haaren, riß ihren Kopf zu sich und küßte sie mit einer wehrlos machenden Brutalität. Erst, als sie keine Luft mehr bekam, trat sie ihm gegen das Schienbein. Trosky grunzte und ließ sie los. »So etwas muß doch anerkannt werden!« sagte er.
Nach zwei Flaschen Wein, die der Polizeichef spendierte, um damit das Verhör etwas aufzulockern, wußte man, daß Helena und Lucrezia unwahrscheinliches Glück gehabt hatten.
»Mir ist völlig rätselhaft, wieso dieser Depallier so redselig war«, sagte der Hauptmann erstaunt. »Das Geständnis haben wir. Jetzt brauchen wir nur noch ihn selbst!«
»Sein Vorsprung ist zu groß. Sie werden ihn nie bekommen.« Helena lehnte den Kopf an Peters Schulter. »Er hat längst die Kapverdischen Inseln verlassen.«
»Es gibt Funk, Madame.« Der Hauptmann lächelte nachsichtig. »Wir werden sehr bald wissen, mit welcher Maschine zwei unbekannte Männer von Sal abgeflogen sind. Dann haben wir ihre Spur.«
»Viel wichtiger ist«, rief der kleine Polizeichef aufgeregt, »wem er die wertvollen Goldmünzen geklaut hat! Hier! Bei uns! Auf São Tiago! Wer besitzt hier einen solchen Schatz?« Er wischte sich den Schweiß ab, sein rot angelaufenes Gesicht glänzte. »Da lebt hier unter uns ein Kerl, der Millionen im Keller hat, und keiner ahnt etwas davon! Millionen, die ihm gar nicht zustehen! Und läßt sie sich auch noch klauen! Und erstattet nicht einmal Anzeige! Schluckt das einfach runter, daß man
Weitere Kostenlose Bücher