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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an. Seit Tagen badeten sie nicht mehr, trugen Hosen und Pullover und zogen sich nur nachts aus, wenn sie eng beisammen, Körper an Körper, unter und auf den Decken lagen und schwitzten. »Himmel, wäre das schön, sich jetzt unter eine Regendusche zu stellen.«
    »Und zwei Tage später sind wir wieder gesalzen.« Trosky, dem mittlerweile ein Vollbart wuchs, spreizte die Finger, strich durch die Haare und zeigte Losskow die Hand. An den Fingernägeln klebten weiße Kristalle, als habe er sie in Zucker getaucht. »Ich bin eine lebende Saline! Ich gehe jede Wette ein: Wenn ich Lucrezia jetzt ein Kind mache, kommt ein Salzstreuer heraus!«
    »Es muß regnen«, sagte Losskow so laut, als müsse es der Himmel hören. »Der Regen ist fällig! Seit neun Tagen kein Tropfen, das ist für dieses Gebiet völlig verrückt!«
    »Dieses Gebiet! Wo schwimmen wir denn? Ist das richtig, heute ist der 27. Tag des glorreichen Unternehmens? Nach Feuerland mit einer Gummiinsel?«
    »Ja.«
    »Da werden uns aber die Wikinger beneiden. Auf die Idee wären sie nie gekommen.« Trosky glotzte Losskow plötzlich aus unheimlich flackernden Augen an. »Wie lange halten wir noch durch?«
    »Noch lange.«
    »Das ist keine Antwort.« Trosky beugte sich zu Losskow hinüber. »Sollen wir von der Zukunft reden?«
    »Von mir aus.«
    »Wir treiben noch hundert Tage.«
    »Blödsinn!«
    »Hundert Tage!« sagte Trosky, keinen Widerspruch duldend. »Das Fressen ist aus, das Wasser ist weg, nur noch das aufgefangene Regenwasser ist da, aber das reicht nicht mehr. Wir treiben nicht zur Feuerlandküste, wir treiben quer über den Südatlantik nach Afrika. – Ist das unmöglich?«
    »Es ist unwahrscheinlich.«
    »Du bist ein Diplomat. Du kennst die Wahrheit, aber du weißt, wie man sie verschleiert. Also Afrika. Dann also auch hundert Tage. Kein Fressen, kein Wasser, aber vier Menschen und ein Hund. Halt. Kein Hund mehr! Den haben wir schon nach zwanzig Tagen geschlachtet und als Tatar gegessen.«
    »Falsch! Dann hättest du erst Helena umbringen müssen.«
    »Auch die süße Blondie hat Hunger und kann nicht von deinen mageren Umarmungen leben. Nehmen wir also an: hundert Tage sind herum. Und je mehr Tage kommen, um so deutlicher wird es: Vier Menschen – das ist zuviel an Bord! – Weißt du, was ich denke?«
    »Ich glaube«, sagte Losskow vorsichtig. Er hütete sich, Trosky zu reizen. Sein Blick warnte ihn. Ein falsches Wort, und es kam wieder zu Brüllen und Toben, zu Beschimpfungen und Drohungen. Die Hölle war gegenwärtig.
    »Was meinst du?« fragte Trosky. »Daß du überlebst? Das ist es ja, weshalb ich mit dir über die Zukunft sprechen will. Ich wollte dir nur versichern, daß ich der letzte auf diesem Gummi-Paradies sein werde!«
    Losskow atmete tief durch. Er fühlte sein Herz eingeschnürt wie von einem Stahlband. Das Atmen fiel ihm schwer. »Du willst einen nach dem anderen töten?«
    »Ja. Dich zuerst.« Trosky grinste. Sein Gesicht mit dem zotteligen, mit Salzkristallen durchsetzten Bart, wurde zu einer furchterregenden Maske, den Fetischen ähnlich, wie sie die Kopfjäger auf Neuguinea an Stangen neben ihren Hütten hängen haben. »Es ist gut, wenn man weiß, Peer: Du kannst nicht weglaufen.« Er machte eine ausladende Handbewegung über den unendlichen Ozean. »Oder doch. Du kannst! Freiwillig. Als Gentleman den Damen gegenüber. Ein Wassertrinker weniger. Man wird dich als großen Kavalier in Erinnerung behalten.«
    »Und dann tötest du die Mädchen.«
    »Sagen wir, es sind einhundertzwanzig Tage vorbei. Es hat geregnet, wir haben Wasser, aber wir haben nichts für die Zähne. Kein Fisch beißt an, der Hunger zerfrißt uns. Man kann keine Decken fressen, keine Plastiktüten, keine Blechdosen, keine Nylontaue. Und Schuhe essen konnte nur Charlie Chaplin im Film. Man könnte überleben, man hat ja Wasser …«
    »Sprich nicht weiter, Jan!« sagte Losskow tonlos. »Ich schlage zu!«
    »Warum rennt der Mensch immer vor der Wahrheit davon? Warum will er nie wissen, wie das nackte Überleben aussieht? – Peer, die nächste wird Helena sein! Nach einhundertzwanzig Tagen ist sie knochiger geworden, aber es bleibt genug dran an ihr.«
    »Du vergißt, daß ich vor dir handeln könnte!« sagte Losskow hart. »Deine Zukunftsvisionen sind für mich ein Signal.«
    Er ließ Trosky am Eingang sitzen und wandte sich ab.
    »Worüber diskutiert ihr?« rief Helena aus der Insel.
    »Wir haben uns auf gegeilt an Kochrezepten!« rief Trosky fröhlich. »Das

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