Die Fahrt Zu Den Sternen
sie wissen, was sie erwartet?«
Er beugte sich über den Tisch und begann dem Komtechniker genau zu erklären, welche obskuren Prozeduren er befolgen mußte, um an die gewaltigen Mengen von »Müllpost« zu gelangen, die von ihm und Pal aus Acornas Dateien gelöscht worden waren, bevor sie diese auch nur zu Gesicht bekommen hatte.
»Sie behandeln mich wie ein Kleinkind«, verkündete Acorna, während sie mit aufgebrachten Schritten über den kreisförmigen Boden der Hauptkuppel des Wohnbereichs stapfte, den Judit Kendoro mit Gill teilte. »Ich darf mein eigenes Volk nicht suchen… Ich darf meine eigene Post nicht lesen… Ich werde das nicht dulden!« Ihr Kopf ruckte mit aufgeblähten Nüstern hoch, und die silberne Mähne, die sich kaskadenartig über ihren Rücken ergoß, erbebte unter der Heftigkeit ihrer Entrüstung.
»Natürlich wirst du das nicht«, pflichtete Judit ihr bei, nahm Acorna bei der Hand und führte sie zu einem bequemen Sofa, das eigens auf ihre pferdeähnlichen Körperproportionen zugeschnitten war. »Aber vielleicht möchtest du ja eine kühlende Erfrischung, bevor du vor lauter Empörung noch platzt? Eisgekühlter Kava vielleicht oder Madigadi-Saft?«
»Wenn du versuchst, mich dazu zu bringen, diese Sache zu vergessen«, begehrte Acorna auf, als sie sich setzte, »dann sollte ich dich wohl warnen, daß das nicht funktionieren wird!
Ich werde mich nicht länger behandeln lassen, als wäre ich ein unwissendes Kind!«
»Natürlich bist du das nicht«, stimmte ihr Judit Kendoro verständnisvoll zu. »Du bist in den letzten zwei Jahren auf recht erstaunliche Weise erwachsen geworden. Du galoppierst nicht mehr weltvergessen durch den Park oder läßt dich auf Raufereien mit Straßenverkäufern ein, oder…«
Lachend gebot Acorna ihr Einhalt: »Genug, bitte! Ich leugne ja nicht, daß ich ein paar sehr törichte Dinge angestellt habe, als ich damals frisch bei Herrn Li eingezogen bin – aber bedenke, daß fast zwei Jahre an Bord eines Bergbauraumers keine allzu umfangreiche Vorbereitung auf das gesellschaftliche Leben auf einem Planeten darstellen! Und ich war damals sehr viel jünger.«
»Das stimmt«, bestätigte Judit, »und Gill und Pal sehen jetzt ein, daß es falsch von ihnen war, deine Post ohne dein Wissen auszusortieren.«
Acorna bedachte sie mit einem mißtrauischen Blick: »Warum haben sie das dann nicht gesagt? Und woher weißt du davon?«
»Hast du ihnen denn eine Chance gegeben, sich zu entschuldigen?« fragte Judit. »Oder bist du einfach nur vor Wut kochend davongestapft, o du reife und gesetzte Frau von Welt? Pal hat erraten, wo du hingehen würdest, er hat mich angerufen, um mir zu sagen, daß er und Gill dir die abgefangene Post der letzten zehn Tage rüberschicken würden, sobald sie herausgesucht und ausgedruckt werden konnte – und da ist sie auch schon«, sagte sie, als die Glocke des Frachteingangskorbs läutete, um die Ankunft eines Pakets zu signalisieren.
Und läutete.
Und läutete.
Und läutete…
»Zwei Dutzend Kartons!« rief Acorna aus, als die letzte Schachtel mit Ausdrucken aus dem Frachtschacht auf Judits Fußboden gelandet war. »Unmöglich! Ich kenne nicht einmal zwei Dutzend Leute, von den Kindern mal abgesehen, und die meisten Personen, die ich kenne, leben hier auf Maganos und haben es nicht nötig, mir irgendwelche Post zu schicken. Gill macht einen Scherz.«
»Nun, das hier scheint jedenfalls an dich adressiert zu sein«, meinte Judit und fischte aufs Geratewohl einen Folienausdruck aus der obersten Schachtel heraus. »Willst du sie nicht lesen?«
»Lassen Sie Karina, die Geistheilerin, Ihnen zu einem Vermögen verhelfen?« las Acorna laut vor. »Was soll das? Ich kenne keine Karina, und selbst wenn ich das täte, warum sollte ich in eine Partnerschaft mit ihr einwilligen, um meine Heilkräfte gegen Honorar anzubieten, und das auch noch pro Millisekunde Behandlungsdauer berechnen? Das klingt mir nach einem höchst unmoralischen Vorschlag!«
»Es wird womöglich nicht der unmoralischste Vorschlag sein, über den du heute noch stolpern wirst«, erklärte Judit sanft. »Lies noch ein paar mehr.«
Als Acorna sich schließlich durch einen halben Karton hindurchgearbeitet hatte, voll mit Bettelbriefen, Vorschlägen für eine Linie von »Acornas« genannten, vergoldeten Plastiflex-Visoren, Angeboten für Geschäftspartnerschaften und Forderungen, daß sie sich zwecks sofortiger Untersuchung diesem oder jenem Forschungsinstitut zur Verfügung
Weitere Kostenlose Bücher