Die Fahrt Zu Den Sternen
wunderbar gegen Raumkrankheit, heißt es.«
Bevor Karina erklären konnte, daß sie ihrem Bewußtsein nie gestattete, Illusionen wie Raumkrankheit zu empfinden, machte die Fähre einen heftigen, Übelkeit erregenden Satz vorwärts und schlingerte seitwärts, so daß es ihr den Atem verschlug. Jemand auf der anderen Seite des Mittelgangs gab würgende Geräusche von sich. Karina mußte die Augen schließen und sich eindringlich ins Gedächtnis rufen, daß sie an Höhere Dinge dachte und daß Raumkrankheit bloße Einbildung war. Jemand weiter vorn in der Passagierkabine gab einen schwachen Aufschrei von sich, der von verschiedenen Sitzen im ganzen Rumpf der Mondfähre her Echos fand. Karina konzentrierte sich verbissen auf ihr mentales Bild von Acorna, hochgewachsen und silbermähnig, wie sie ihre künftige Partnerin willkommen hieß, bevor sie sich dazu herabließ, ihre Augen zu öffnen und nachzusehen, was es mit dem Gekreische auf sich hatte.
Dies war der Grund, warum sie als einzige von allen Fährenpassagieren weder verängstigt noch verblüfft reagierte, als sie ein hochgewachsenes, silbermähniges Wesen mit einem goldenen Horn leichten Schrittes durch eine Außentür hereintreten sah, die eigentlich so lange geschlossen und doppelt verriegelt hätte bleiben müssen, bis das Raumfahrzeug in der künstlichen Atmosphäre des Maganos-Fährenhangars angelangt war. Draußen vor der offenen Tür war ein stetes, goldenes Leuchten zu erkennen, wo eigentlich leerer Raum, Schwärze und der sofortige Tod aller Fähreninsassen hätte lauern müssen.
»Schrei nicht, du Idiot, das ist doch nur die Dame Lukia!«
wies einer der Passagiere einen anderen zurecht, wobei er einen jener Namen benutzte, unter denen Acorna während ihres kurzen Aufenthalts auf Kezdet bekannt geworden war.
»Sie kommt mich holen, und ich will nicht geholt werden!«
schrie das Mädchen, das als erste aufgekreischt hatte, und vergrub den Kopf in ihren zitternden Armen.
Das Einhornwesen sagte etwas in einer flüssigen, leicht nasalen Sprache und berührte den Kopf des Mädchens.
Zitternd sah die Kleine auf und blickte in die goldenen Augen des Fremdlings. Auf der Stelle entspannte sich ihr Körper, und sie sackte in ihren Sitz zurück, schlaff und milde lächelnd. Was auch immer mit dem Mädchen geschehen war, es schien ansteckend zu sein. Denn binnen weniger Sekunden waren die Leute gleichermaßen rings um sie herum entspannt und starrten ebenso ausdruckslos ins Leere.
Die alte Dame neben Karina umklammerte mit vor Anstrengung weißen Knöcheln die Lehnen ihres Sitzes und murmelte leise Stoßgebete vor sich hin. Karina begriff, daß die anderen Fährenpassagiere keine Ahnung hatten, was hier wirklich vor sich ging.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie, schob sich aus ihrem Sitz und steuerte auf den Mittelgang zu. »Entschuldigen Sie bitte, danke, wenn Sie Ihre Knie ein kleines bißchen zur Seite nehmen könnten, mein Herr, danke. Es tut mir leid, aber es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen, sie ist nur meinetwegen gekommen…«
Endlich erreichte sie zerzaust und atemlos den Gang, begleitet von verärgertem Gemurmel über Leute, die nicht genug Rücksicht besaßen, um auf die Toilette zu gehen, bevor sie Platz nahmen, und über Leute, die gefälligst für zwei Fährenplätze bezahlen sollten, wenn sie schon so viel Raum beanspruchen wollten.
Idioten, dachte Karina. Wir sind in eine andere Dimension versetzt worden, und Acorna ist persönlich gekommen, um mich abzuholen, und alles, woran die denken können, sind ihre armseligen menschlichen Leiber. Sich übergeben, kreischen und jammern, daß man ihnen auf die Zehen tritt – was muß sie nur von uns denken! Jetzt liegt es an mir zu zeigen, daß ein paar von uns über all das erhaben sind.
Sie lächelte beherzt und ignorierte den winzigen Teil in ihrem Innern, der quengelte, daß er persönlich sich durchaus Sorgen um seinen armseligen menschlichen Leib mache und keine Lust hätte, mit irgendwelchen Außerirdischen wegzugehen, egal wie wohlgesonnen diese auch sein mochten; Karina schritt den Mittelgang hinunter und streckte dem Einhornwesen huldvoll eine Hand entgegen.
»Es ist alles in Ordnung«, meinte sie zu ihrem Gegenüber.
»Ich weiß, daß du meinetwegen gekommen bist. Mach dir keine Sorgen wegen dieser anderen; sie sind eben nicht an psychische Manifestationen auf dieser Daseinsebene gewöhnt.«
Acorna – denn um sie mußte es sich fraglos handeln: Es gab ja keine andere wie sie
Weitere Kostenlose Bücher