Die Fahrt Zu Den Sternen
vorherzusagen, welchen Kurs er eingeschlagen hat.«
Dieser Ansicht vermochte sich Rafik keinesfalls anzuschließen, er hatte schon begonnen, sich auf den großen, flachen Wandbildschirmen von Delszaki Lis Büro eine Reihe von in verschiedenen Maßstäben ausgeführten Sternenkarten anzeigen zu lassen. Aber sein Studium der in Frage kommenden Reiserouten zum Coma Berenices wurde durch die Ankündigung eines Besuchers für Acorna unterbrochen.
Da sie weder mit den Abkürzungen vertraut war, die Rafik benutzt hatte, noch auch nur annähernd so flink zu Fuß war wie er, hatte Karina um einiges länger gebraucht als Rafik, um das Hauptquartier von Delszaki Li zu erreichen. Daß es ihr überhaupt gelungen war, dorthin vorzudringen, hatte sie nicht so sehr ihrer zunehmend selbstbewußteren Behauptung zu verdanken, daß Acorna sie eingeladen habe, als vielmehr den Fähigkeiten der Linyaari, das Urteilsvermögen von Personen, die sich in ihrer Nähe aufhielten, zu trüben und zu manipulieren. Neeva und Melireenya hatten es riskiert, sich den im Landehangar der Mondstation diensthabenden Wachen gerade lange genug zu zeigen, um telepathisch beschwichtigende Gedanken der Art: (Ich habe nichts Ungewöhnliches gesehen) und: (Das ist eine Freundin von Acorna) zu projizieren.
Sobald sie jedoch den eigentlichen Innenbereich der Mondbasis betreten hatten, mußte sich Karina ohne die Hilfe der Linyaari-Gedankenbeeinflussung zu ihrem Ziel durchschlagen. Sie war schon bemerkenswert weit vorangekommen, indem sie die Leute, denen sie begegnete, in unbefangen »harmlose« Gespräche verwickelte und so in Erfahrung brachte, daß Acorna entweder bei Delszaki Li gefunden werden konnte oder daß dieser Herr zumindest imstande sein würde, ihr zu verraten, wo sie war. Niemand sah irgendeine Veranlassung, Karinas Behauptung, sie sei eine Freundin von Acorna und ein von ihr erwarteter Gast, in Frage zu stellen; wenn sie nicht einen triftigen Grund vorzuweisen gehabt hätte, um Maganos aufzusuchen, wäre sie ja schließlich nie weiter gekommen als bis zum Landedock, nicht wahr? Und ihre beiläufige Einflechtung, daß sie spontan mit einem Privatschiff gekommen sei, statt mit der fahrplanmäßig verkehrenden Mondfähre, erklärte einerseits, warum man sie nicht abgeholt hatte, andererseits umgab sie das mit einer Aura von Reichtum und Luxus, die jegliche aufkommenden Zweifel schon im Keim zu ersticken half. Aber hier, in den Vorräumen zu Delszaki Lis Privatquartier, begegnete sie dann doch ihrem Meister.
Der Empfangssekretär, der für den Schutz von Herrn Lis Privatsphäre sorgte, kannte Rafik vom Sehen und hatte diesen ohne Fragen zu stellen passieren lassen. Karina jedoch kannte er NICHT – und er war ebensowenig geneigt, jemanden durchzulassen, der nicht auf der Liste der zutrittsberechtigten Besucher stand, wie Karina bereit war, so dicht vor ihrem Ziel aufzugeben. Der sich hieraus entspinnende lautstarke Wortwechsel zog zuerst Judits Aufmerksamkeit auf sich, dann Rafiks und schließlich auch die von Gill. Sie öffneten die Eingangstür gerade rechtzeitig genug, um noch mitzubekommen, wie Karina ziemlich hitzig »erklärte«, daß sie und Acorna schon seit einiger Zeit korrespondiert hätten, daß sie auf der spirituellen Ebene eng miteinander verbunden seien und daß es jetzt ihrer beider Schicksal und der Wille der Sterne sei, daß sie auch auf der materiellen Ebene zusammenkommen sollten.
»Mir haben die Sterne keine derartige Direktive geschickt«, parierte der Sekretär ausdruckslos.
»O Gott«, stöhnte Gill auf, »das mußte ja früher oder später mal passieren. Aber warum gerade jetzt, zu allem anderen Ärger noch dazu?«
»Was hat passieren müssen?« fragte Rafik unleidlich. Seit er auf Maganos angekommen war, hatte er feststellen müssen, daß er den neuesten Ereignissen ständig zwei Schritte hinterherhinkte – was er auch nicht anders hatte erwarten können, da er so lange in Geschäften für das Haus Harakamian unterwegs gewesen war. Aber dennoch war es eine unangenehme Situation für einen Mann, der es gewohnt war, sein Geld damit zu machen, daß er Informationen früher erfuhr als andere.
»Spinner«, antwortete Gill und zog sich in den Bürobereich hinter dem Empfangspult des Sekretärs zurück, um Rafik seine Einlassung näher zu erklären. »Die Leute haben von den Leuten gehört, die Acorna auf Kezdet geheilt hat, weißt du. So was kann man einfach nicht auf Dauer geheimhalten. Wir haben zwar die Behauptung
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