Die Fahrt Zu Den Sternen
mochte.
Der mit Silber eingefaßte Mondstein an ihrer Kehle blieb kalt und matt. Und so sehr sie es auch versuchte, vermochte sich Karina doch nicht einzureden, daß sie Acornas Gegenwart irgendwo in der Nähe »spürte«.
»Ich… Ich verstehe«, gab sie daher kraftlos nach.
Diese Kapitulation ließ Declan Giloglies blaue Augen jedoch mit einem so triumphierenden Leuchten aufblitzen, daß ihr Argwohn von neuem aufloderte. Karina holte tief Luft und dachte angestrengt nur an Frieden und Liebe. »Nun, in dem Fall«, meinte sie sodann, »schätze ich, daß ich ebensogut wieder gehen kann. Ich will meine Zeit ganz bestimmt nicht damit vergeuden, nach jemandem zu suchen, der nicht hier ist!« Das perlende Lachen, mit dem sie ihr Nachgeben unterstrich, war ein wenig flach, und ihre Stimme zitterte leicht. Aber das konnte man vielleicht eher ihrer Enttäuschung zuschreiben als dem schieren Zorn, der sie in Wahrheit gepackt hatte.
(Jetzt ist sie hochgradig wütend, aber ich kann nicht sagen worüber. Diese einfältige Idiotin kann einfach nicht richtig denken, sie rührt bloß in ihren Gehirnbrocken herum wie in einem Nuß-und-Wurzel-Eintopf – man weiß nie, welcher Gedankenfetzen als nächstes nach oben gespült wird.) (Steckt sie in Schwierigkeiten? Wo ist sie?) (Woher soll ich das wissen? Sie guckt ja auch nicht. Man kann keine Bilder von seiner Umgebung übermitteln, wenn man sich nie anständig umsieht. Das einzige, was ich im Augenblick in ihrem Geist erkennen kann, ist Blau.) Karina machte jetzt selbst große Augen und blickte Gill so lange geradewegs in die seinen, bis er ihre Hände losließ und einen Schritt rückwärts trat. »Nun… das wäre also dann geklärt«, sagte er. »Tut mir leid, daß wir Sie enttäuschen mußten.«
Vor ihrem inneren Auge stellte sich Karina vor, wie sie schwerelos in einer kühlen blauen Wolke schwebte, die ihre unbändige Wut in sich aufnahm und verbarg.
(Mist! Jetzt habe ich sie ganz verloren!) Als sich der Durchgang zu Delszaki Lis Privatgemächern wieder hinter ihm schloß, schenkte der Sekretär Karina einen Blick, in dem sogar ein Anflug von Mitleid mitschwang.
»Sie sind nicht die Einzige mit einer herzerweichenden Geschichte, wissen Sie«, versuchte er sie keineswegs unfreundlich zu trösten. »Man braucht schon mehr als das, um hier reingelassen zu werden und Acorna sehen zu dürfen… das heißt, wenn sie da wäre«, ergänzte er hastig, als ihm Gills Geschichte wieder einfiel. Da man ihn in Acornas unangekündigte Abreise nicht eingeweiht hatte, nahm er es als gegeben hin, daß Gill gelogen hatte, um Acornas Privatsphäre zu schützen. »Sie haben Ihr Möglichstes versucht – aber jetzt gehen Sie besser wieder nach Hause. Die werden den Sicherheitsdienst rufen, wenn Sie noch länger hier draußen herumlungern, verstehen Sie?«
»Ich habe kein – « Karina unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, bevor sie unbeabsichtigt ihr Dilemma offenbarte.
Tatsache war nämlich, daß sie für einen Rückflugschein nach Kezdet gar kein Geld mehr besaß, ganz zu schweigen von dem Betrag für einen Weiterflug zu ihrem Heimatplaneten. Denn alles, was sie besessen hatte und sich hatte zusammenborgen können, war kaum genug gewesen, um allein die Anreise hierher zu bezahlen.
Andererseits hatte sie, schoß es ihr durch den Kopf, ja ein privates Transportmittel… gewissermaßen jedenfalls. Und sie schuldete es den Linyaari, zu ihnen zurückzukehren und ihnen zu berichten… nun, vielleicht nicht genau das, was geschehen war… sie würden die Feinheiten der Angelegenheit sicher nicht verstehen. Es wäre also nachgerade Unrecht der übergeordneten, spirituellen Wahrheit gegenüber, wenn sie ihnen die ungeschminkte, buchstäbliche Wahrheit erzählte, nicht wahr?
»Sie haben völlig recht«, sagte sie statt ihres ursprünglich begonnenen Eingeständnisses schließlich. »Ich werde auf der Stelle auf mein Privatschiff zurückkehren.«
Auf dem Rückweg konzentrierte sie sich so lange auf ihre Atmung, bis sie einen spirituellen Zustand inneren Friedens erreicht hatte, in dem der oberflächliche Anschein der Ereignisse sie nicht länger zu täuschen vermochte und in dessen Gelassenheit sie sich zuversichtlich fühlte, ihren Linyaari-Freunden die wesenhaften Wahrheiten der Situation vermitteln zu können.
Sie hatte sich auch schon die genauen Worte zurechtgelegt, in die sie ihren Bericht kleiden würde.
»Sie wird als Gefangene festgehalten!« brach es bei ihrer Rückkehr auf das
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