Die Falken Gottes
sich nach der Poststation und wurde in die Nähe der St.-Jakobs-Kirche geschickt, wo sich an eine Stallung eine Postmeisterei anschloß. Er trat durch die Tür, über der ein Holzschild angebracht war, auf dem ein Posthorn prangte. In dem kleinen Gebäude traf er auf einen jungen Burschen, der ihn an einen Mann namens Peter Sandberg verwies, den Vorsteher der Postmeisterei, der sich zumeist bei den Pferden im Stall aufhielt.
»Seid Ihr Peter Sandberg?« rief Dahlgren, als er im Stall einem Mann begegnete, der seine Stiefel bürstete und so auffällig schielte, daß Dahlgren nicht hätte sagen können, ob der Kerl ihm ins Gesicht oder über die Schulter schaute. An der Stirn des Mannes prangte eine häßliche Beule.
Der Kerl nickte nur und verfolgte grimmig, wie Dahlgren sich einem der fünf Pferde näherte, die hier untergebracht waren. Es handelte sich um einen kräftigen Falben, der laut schnaubte, als Dahlgren ihm über die Nüstern strich.
»Ich bin auf dem Weg nach Osnabrück«, sagte Dahlgren. »Könnt Ihr mir sagen, wann eine Kutsche in diese Richtung abfährt?«
Sandberg richtete sich auf. »Ihr seid Schwede?«
Dahlgren brummte eine Zustimmung.
»Mit Euresgleichen habe ich vor kurzem übelste Erfahrungen gemacht.« Sandberg deutete auf die Beule über dem rechten Auge.
|79| »Was ist Euch widerfahren?« wollte Dahlgren wissen.
»Vor acht Tagen suchte mich ein fremder Schwede auf, der am Tag zuvor in Stralsund eingetroffen war. Der Mistkerl schlug mich nieder und stahl mir einen Apfelschimmel – eines meiner besten Tiere. Hätte ich nicht einen so harten Schädel, läge ich wohl jetzt noch krank darnieder.« Sandberg schnaufte wütend und hob drohend einen Finger. »Aber eines ist gewiß: Sollte dieser Galgenvogel mir noch einmal unter die Augen treten, werde ich ihm seine schiefe Nase mit der Faust richten.«
Diese Bemerkung ließ Dahlgren aufhorchen. »Der Mann hatte eine schiefe Nase?«
»So krumm, als wäre sie ihm schon mehrmals gebrochen worden. Und das wohl zu Recht.«
Kjell Ekholm war also schon vor sieben Tagen in Stralsund eingetroffen. Nun zeigte sich, daß es richtig gewesen war, auf verschiedenen Schiffen zu reisen. Wahrscheinlich war Ekholm inzwischen bereits in Osnabrück angekommen, und womöglich hatte er Bernadis Boten aufhalten können.
»Seid Ihr mit diesem Lump womöglich bekannt?« fragte Sandberg argwöhnisch, und sein Blick fiel auf einen Axtstiel, der neben ihm an einem Gatter lehnte.
Dahlgren verschränkte die Arme. »Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet. Wann fährt eine Kutsche nach Osnabrück ab?«
»Das hier ist eine Poststation. Hier treffen Boten ein, die zu Pferde oder auf ihren Füßen Mitteilungen und Korrespondenzen in die entfernten Städte schaffen. Wenn Ihr mit einer Kutsche reisen wollt, müßt Ihr Euch in der Stadt umhören, ob einer der reichen Pfeffersäcke vorhat, in nächster Zeit nach Osnabrück zu reisen.« Sandberg maß Dahlgren mit skeptischem Blick. »Ich glaube aber kaum, daß diese Leute viel Wert darauf legen werden, einen Fremden mit |80| sich zu nehmen, selbst wenn Ihr einen Dukaten für jede Meile bezahlt, die Ihr zurücklegt.«
Nach dieser ernüchternden Auskunft verließ Dahlgren die Poststation und kehrte zurück in die Hafengegend, wo er eine Herberge aufsuchte, um endlich ein wenig Ruhe zu finden.
In der Schankstube stärkte er sich mit einem Gerstenbrei und einer Milchsuppe. Danach mietete er eine Kammer für die folgende Nacht. Der Schankwirt wollte ihn zunächst auf ein Zimmer schicken, in dem noch sieben andere Kerle untergekommen waren, doch nachdem Dahlgren bereit war, eine angemessene Summe zu entrichten, bezog er eine schmale Kammer, in der er für sich allein sein konnte. Sein Lager bestand zwar nur aus einer Schütte Stroh, über die eine fleckige Leinendecke ausgebreitet worden war, doch das würde genügen, um einige Stunden Ruhe zu finden.
Nach den Tagen auf der
Vedia
hing Dahlgren ein fauliger Geruch an. Er ließ sich einen Krug Wasser, eine Schale und ein Tuch bringen, dann zog er seine Kleidung aus und wusch den Schmutz ab. Drei Jahre lang hatte er einst im Stockholmer Karzer inmitten von Flöhen, Läusen und übelriechenden Exkrementen wie ein stinkendes Tier dahinvegetiert. Später hatte er das Gefühl gehabt, dieser Gestank würde wie Teer an ihm haften, auch wenn er sich häufig wusch. Man hatte ihn ob seiner Reinlichkeit oftmals verspottet oder gar behauptet, daß es der Gesundheit schaden würde, sich
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