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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Malzmühle erforderte viel Kraft. Anneke war körperliche Anstrengungen gewohnt, doch nachdem sie an diesem Morgen bereits mehrere Stunden lang das Mühlrad gedreht und ständig das Malz aus den schweren Säcken nachgeschüttet hatte, tropfte ihr der Schweiß in die Augen, die Arme wurden ihr lahm, und sie rang nach Luft.
    Wehmütig dachte sie an den Ausflug nach Osnabrück zurück. Auch wenn ihre Begegnung mit Magnus Ohlin vor zwei Tagen kein Erfolg gewesen war, hatte der Aufenthalt in der Stadt für sie eine willkommene Abwechslung von der tristen Arbeit in der Schenke bedeutet. Seybert Monsbach hatte auf der Rückfahrt zu ihr gesagt, daß er froh sei, dem hektischen Treiben in der Stadt wieder den Rücken kehren zu können, doch Anneke hatte es genossen, über den Marktplatz zu streifen und das Treiben der Komödianten, Händler und Quacksalber zu verfolgen. Gerne hätte sie auch am Tisch des Buchhändlers noch einmal einen Blick auf die Folianten und Nachrichtenblätter geworfen, doch als sie von der Lohstraße zum Markt zurückgekehrt war, hatten allzuschnell die Kirchenglocken zur elften Stunde geschlagen, woraufhin sie unverzüglich zum Stadttor geeilt war.
    Und Ohlin? Sie grämte sich, daß er ihr nicht hatte zuhören wollen. Aber was hatte sie denn erwartet? Daß dieser hochgestellte Herr ihr seine Aufmerksamkeit schenken und ihr glauben würde, was sie ihm zu berichten hatte?
    »Hochgestellt«, zischte sie aufgebracht, während sie sich gegen das Mühlkreuz stemmte. Alles, was an diesem eingebildeten Pfau hochgestellt sein mochte, war wohl sein |88| Geschlecht, wenn er sich zwischen die Beine seiner schnippischen Magd drängte.
    Trotz allem war Anneke davon überzeugt, daß das Aufeinandertreffen mit Ohlin den Fluch des Toten von ihr genommen hatte. In den vergangenen beiden Nächten hatte er sie nicht mehr in ihren Träumen verfolgt, und sie hoffte, daß die unheilvollen Bilder nun für immer aus ihrem Kopf verbannt worden waren.
    »Anneke«, erklang laut die Stimme der Wirtin aus der Schankstube. »Anneke, komm sofort zu mir!«
    Anneke löste die Finger von der Mühle. Sie warf einen fragenden Blick zu Seybert, der in einem Faß die Maische mit einem Stecken umrührte. Der Schankwirt hob die Schultern und bedeutete ihr mit einem Handzeichen, der Anweisung seiner Frau nachzukommen.
    Anneke war froh, eine Pause einlegen zu können, doch der barsche Tonfall der Monsbacherin bedeutete gewiß nichts Gutes. Sie stieg die Treppe hinab, begab sich in den Schankraum und stutzte, als sie sah, welcher Gast sich hier eingefunden hatte. Neben der Wirtin stand Magnus Ohlin und neigte den Kopf.
    »Dieser Herr hat nach dir verlangt«, sagte die Wirtin. Sie beäugte Ohlin skeptisch. Seine elegante Kleidung wies ihn als einen wohlhabenden Mann aus, und die Monsbacherin schien es zu verwundern, was so ein Herr mit einem Dienstmädchen zu schaffen haben könnte. »Ihr dürft mit Anneke sprechen, aber haltet sie mir nicht allzulang von der Arbeit ab«, meinte die Wirtin.
    »Ich möchte, daß Ihr sie den ganzen restlichen Tag in meine Obhut gebt«, erwiderte Ohlin.
    Die Monsbacherin schüttelte den Kopf. »Das Mädchen muß ihre Pflichten erledigen.«
    »Entbindet sie dies von ihren Pflichten?« Ohlin hielt der Wirtin drei Schillinge vor die Nase. Einen Moment lang betrachtete |89| die Wirtin die Münzen, als könne sie nicht recht begreifen, daß dieser Mann bereit war, sie für die Zeit mit Anneke derart großzügig zu entlohnen. Dann aber griff sie nach dem Geld und steckte es in ihre Schurztasche.
    »Nehmt sie mit Euch! Aber bringt sie mir am Abend wohlbehalten heim.«
    »Natürlich.«
    Anneke hatte den Handel stumm mitverfolgt und fühlte sich wie ein Stück Vieh, das für eine angemessene Summe den Besitzer wechselte.
    »Nun geh schon!« drängte die Wirtin und schob Anneke zur Tür, als könne sie sie plötzlich nicht schnell genug loswerden. »Aber kehrst du nicht bis Sonnenuntergang zurück, lasse ich dich den Stock spüren.«
    »Ich werde sie rechtzeitig heimbringen«, erwiderte Ohlin und trat mit Anneke aus der Schenke. Anneke, die bislang stumm geblieben war, stemmte nun die Hände auf die Hüfte, starrte Ohlin an, der sein Pferd losband, und rief ungestüm: »Was, in Gottes Namen, soll das bedeuten?«
    Ohlin kniff die Augen zu und hob abwehrend eine Hand. »Sprich leiser, Mädchen! Es ist zu früh am Morgen, um dein Gekeife zu ertragen.«
    »Ihr habt dafür bezahlt, daß ich Euch begleite«, entgegnete Anneke und

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