Die Falken Gottes
halten, und es wird gemunkelt, sie wäre eine Art Zwitterwesen.
Konnte es sein … Anneke legte erstaunt eine Hand vor den Mund, denn von einem Moment zum anderen war sie davon überzeugt, daß es sich bei diesem zierlichen Burschen nicht um einen Mann handelte.
Sie stand der Königin von Schweden gegenüber.
|187| Kapitel 19
Die unerwartete Begegnung mit der schwedischen Königin hatte Anneke aufgewühlt, doch ihre Anspannung war gering im Vergleich zu der von Magnus Ohlin, der nach der Rückkehr in ihre Kammer so unruhig wurde, als habe sich ein Dutzend Flöhe in seine Hose geschlichen. Er setzte sich an den Tisch, stand nach wenigen Augenblicken auf, um ein paar Schritte mit verschränkten Armen durch den Raum zurückzulegen, ließ sich wieder auf dem Schemel nieder, atmete schnaufend aus und sprang erneut hoch.
»So bleibt doch endlich einmal still sitzen«, sagte Anneke. »Ihr steckt mich noch an mit Eurer Unrast, Herr Ohlin.«
»Ich soll ruhig sein?« brach es aus ihm hervor. »Wundert es dich etwa, daß ich aufgebracht bin?« Er deutete mit dem Finger nach oben. »Nur für den Fall, daß du es vergessen haben solltest: Im Stockwerk über uns befindet sich die Königin von Schweden. Allein der Gedanke, daß sie vier Tage über ungesicherte Straßen und durch Wälder geritten ist, in denen sie in die Hände umherziehender Soldaten, Marodeure oder anderer Banditen hätte fallen können …«
»Immerhin befinden sich vier Leibwächter in ihrer Begleitung«, meinte Anneke. »Und die scheinen es mit so manchem Spießgesellen aufnehmen zu können.« Anneke dachte dabei vor allem an den Hünen mit der Augenklappe, der so groß und kräftig gebaut war wie ein Bär.
Ohlin verzog das Gesicht. »Einen Dreck gebe ich auf die Kerle. Der Königin droht in Münster Gefahr. Dieser falsche Bote hat sich nicht ohne Grund das Vertrauen Pater Vigans erschlichen. Gott weiß, wie viele Halunken in |188| dieser Stadt der Königin nach dem Leben trachten.« Ohlin rieb angestrengt über seine Stirn.
»Warum ist sie überhaupt nach Münster gekommen?« wollte Anneke wissen.
Er zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung.«
Anneke mußte daran denken, wie vertraut Ohlin und die schwedische Königin während ihres Gespräches auf sie gewirkt hatten. Diese seltsame, flachbrüstige Frau, die in ihren schmutzigen Hosen und dem braunen Lederwams wie ein Mann auftrat, hatte die meiste Zeit über Magnus’ Hand gehalten und ihn ab und an auf die Wange geküßt. Ohlin hatten diese überschwenglichen Zuneigungen vor all den Umstehenden augenscheinlich beschämt. Mehrmals war er regelrecht zurückgezuckt, wenn sich ihm das Gesicht mit den groben Zügen und der markanten Nase genähert hatte, um ihn mit weiteren Zärtlichkeiten zu überschütten. Sogar die Stimme dieser Königin Christina klang zumeist so tief wie die eines Mannes, auch wenn sie hin und wieder schwankte und dann zurück in die höhere Tonlage einer Frau rutschte. Anneke erinnerten diese wechselnden Töne an den Stimmbruch eines dreizehnjährigen Knaben.
Zu Annekes Verdruß hatte sie nicht verstehen können, worüber Ohlin und die Königin geredet hatten. Die beiden hatten die ganze Zeit über in ihrer schwedischen Muttersprache gesprochen. Auch Pater Vigan hatte das wohl nicht gefallen, denn der Jesuit hatte ein verkniffenes Gesicht gezogen und des öfteren ein vernehmliches Räuspern anklingen lassen, ohne daß er damit die vertraute Unterhaltung zwischen den beiden unterbrechen konnte.
Alles in allem hatte Ohlin gewiß eine halbe Stunde lang mit der Königin geredet, und nun wollte er also tatsächlich allen Ernstes behaupten, daß er nicht wußte, warum diese Person sich in Münster aufhielt? Anneke glaubte ihm kein Wort.
|189| »Ihr verheimlicht mir etwas«, warf sie ihm vor.
Ohlin lächelte – zum ersten Mal, seit sie zurück in ihre Kammer gebracht worden waren. »Ich hätte jedes Recht, dir den Inhalt dieses Gespräches zu verheimlichen, meine liebe Anneke, aber in diesem Fall ist das unnötig. Die Königin hat mich mit Belanglosigkeiten überschüttet. Sie hat mich über den neuesten Tratsch am Stockholmer Hof unterrichtet und mich über meine Zeit in der schwedischen Gesandtschaft ausgefragt. Ich habe ihr dann in aller Offenheit erläutert, warum ich nach Münster gekommen bin, doch selbst mein Bericht über den Mord an dem Boten und den Anschlag auf mein Leben hat sie nicht sonderlich beunruhigt. Sie scheint aus einem Grund hier eingetroffen zu sein, der
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