Die Falken Gottes
Gespräche über Philosophie, Astronomie und Religion – das hat genügt, um zu ihrem Günstling zu werden.«
Ohlins Ausführungen wurden plötzlich unterbrochen, als durch das offene Fenster ein Klappern und das Getrappel |192| von Pferdehufen zu hören waren. Anneke und er schauten auf die Gasse zwischen dem Kolleg und der Petrikirche, wo auf der schmalen Einfahrt eine Kutsche eintraf.
»Und wer mag nun dieser Gast sein?« sagte Ohlin spöttisch. »Etwa der deutsche Kaiser?«
Anneke machte die Umrisse von drei Personen aus, die aus der Kutsche stiegen und von einem Fackelträger begrüßt wurden, der sie ebenso eilig wie zuvor die Königin und ihre Leibwächter in das Kolleg geleitete.
»Diese Herrschaften könnten der Grund für Christinas Reise sein«, meinte Ohlin und schloß das Fenster, nachdem die leere Kutsche weitergefahren war. »Vielleicht empfängt Christina einen der Gesandten aus Münster.«
»Habt Ihr die Männer erkennen können?« wollte Anneke wissen.
Ohlin schüttelte den Kopf. »Aber das läßt sich ändern, wenn ich der Königin einen unerwarteten Besuch abstatte.«
»Ihr wollt die Königin
jetzt
aufsuchen? Glaubt Ihr denn, daß sie Euch sehen will, falls sie wirklich eine Unterredung mit diesen Herrschaften führt?«
»Vergiß nicht, daß ich ein enger Vertrauter für Christina bin. Mag könnte sagen, sie hegt schwesterliche Gefühle für mich.« Ohlin holte die beiden kleinen Metallstäbe hervor, mit denen er heute schon einmal das Schloß geöffnet hatte, und trat zur Tür.
»Ich glaube nicht, daß sie verschlossen ist«, sagte Anneke, die keinen Schlüssel klappern gehört hatte, als sie zurück in ihre Kammer geführt worden waren.
Ohlin stutzte und prüfte ihre Vermutung. Er drückte den Griff hinunter, und tatsächlich ließ sich die Tür öffnen. Unter dem Balken erschien nun allerdings ein unüberwindliches Hindernis. Mit einem maliziösen Grinsen und verschränkten Armen machte sich dort der hünenhafte Gardist breit, der ob seiner Größe selbst unter dem hohen Türbalken |193| den Kopf einziehen mußte, und versperrte Ohlin den Weg. Der wechselte einige schwedische Worte mit dem Riesen, senkte aber bald darauf resigniert den Kopf, als der Gardist zurücktrat und hinter sich die Tür zuzog.
»Ich nehme an, der Koloß war nicht damit einverstanden, daß Ihr Euch den Räumen der Königin nähert«, vermutete Anneke.
Ohlin, der neben diesem Bären wie ein zu kurz geratener Knabe ausgesehen hatte, machte ein enttäuschtes Gesicht. »Der Name dieses Kolosses ist Roald, wie ich erfahren habe. Er hat die Anweisung erhalten, mir die Hände und Füße zu fesseln, wenn ich versuchen sollte, die Türschwelle zu überqueren.«
»Ein Befehl der Königin?« fragte Anneke.
»Es scheint so«, meinte Ohlin kleinlaut.
Anneke kicherte. Ohlins selbsternannte Schwester – oder sollte man besser von einem Bruder sprechen? – wußte sehr genau, wann sie Ohlin um sich haben wollte und wann nicht.
Ohlin ließ sich ernüchtert auf dem Schemel nieder und schenkte sich Wein in den Becher nach. Anneke hatte nicht den Eindruck, daß er in der Stimmung für eine Plauderei war, und so wartete sie einfach ab, bis nach etwa einer Stunde auf der Gasse erneut Geräusche und Stimmen zu hören waren. Sie eilten ans Fenster und sahen, wie die Kutsche vorfuhr und die drei Männer in das Gefährt einstiegen. Der Kutscher ließ die Peitsche knallen, und der Wagen polterte über das Pflaster auf die Ausfahrt zu.
Ohlin schloß das Fenster. »Es ist zu dunkel«, klagte er. »Ich konnte keines der Gesichter erkennen.« Nachdenklich zupfte er an seinem Kinnbart und murmelte: »Verdammt, wer mag das nur gewesen sein?«
»Fabio Chigi«, raunte Ove Dahlgren. In diesem Moment, als sich sämtliche Vermutungen und Befürchtungen bestätigten, |194| die wie ein drohendes Gewitter heraufgezogen waren, verspürte Dahlgren mehr Euphorie als Enttäuschung. Nun endlich hatte er Gewißheit, daß Königin Christina tatsächlich bereit war, einen ungeheuerlichen Verrat an ihrem Volk und an Gott zu begehen. Dahlgrens Hand fuhr unter seinen Mantel und befühlte den Knauf des Dolches. Das Traumbild erfüllte sich. Der Rabe kreuzte den Weg mit dem des Falken.
Nicht alles war nach Plan verlaufen. Kjell Ekholm hatte den Boten der Königin getötet und dessen Identität angenommen, um das Vertrauen des Jesuitenpaters Vigan zu gewinnen und um in Erfahrung zu bringen, wo die Königin untergebracht werden sollte. Das überraschende
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