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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Kammer klappern hörten.
    »Verdammt!« rief Ohlin, lief zur Tür und rüttelte am Knauf. Er schlug dreimal kräftig gegen das Türblatt und sagte dann: »Man hat uns eingeschlossen.«
    »Wahrscheinlich will Vigan mit allen Mitteln verhindern, daß wir seinem Gast zu nahe kommen.« Anneke setzte sich wieder an den Tisch. Ohlin folgte ihr zerknirscht und machte sich daran, ein Papier zu beschreiben. Während er die Feder führte, lugte er immer wieder zu der verschlüsselten Botschaft. Zunächst glaubte Anneke, er habe es sich nun plötzlich in den Kopf gesetzt, die Chiffre auf die Schnelle zu lösen, doch dann erkannte sie, daß er die Zahlenreihen nur kopierte.
    Als er seine Arbeit beendet hatte, faltete er den Zettel zweimal und reichte ihn ihr.
    »Nimm das hier an dich und verstecke es!«
    Anneke runzelte die Stirn. »Ich glaube kaum, daß ich eine große Hilfe wäre, diesen Text zu entschlüsseln.«
    »Das wage ich auch nicht zu hoffen«, sagte Ohlin. »Aber falls mir etwas zustößt und du zurück nach Osnabrück gelangen solltest, möchte ich, daß du dieses Papier dem Gesandten Salvius überbringst und ihm schilderst, was hier geschehen ist. Vielleicht wird jemand anderes früher oder später die Nachricht entschlüsseln können und begreifen, was hier vor sich geht.«
    Anneke wußte zunächst nicht, wo sie den Zettel verbergen sollte, dann streifte sie eine ihrer Gamaschen ab, schob das Papier in den Schuh und zog ihn wieder an. »Was soll Euch denn zustoßen?« fragte sie mit einem unheilvollen Gefühl.
    »Das werden wir sehen.« Ohlin kramte in einer Wamstasche, holte zwei kleine Werkzeuge hervor und stellte sich |184| an die Tür. Er beugte sich zum Schloß und hantierte dort mit den beiden Metallstäbchen herum. Sie hörte, wie er einen gepreßten Fluch in seiner Heimatsprache ausstieß, doch dann hatte er Erfolg. Er grinste und öffnete die Tür. Anneke konnte sich nicht erklären, wie er diese Tür ohne Schlüssel so schnell hatte aufschließen können. Anscheinend war das Entschlüsseln chiffrierter Botschaften keineswegs die einzige Begabung des Schweden.
    »Na also«, sagte Ohlin und zog die Tür auf. Er wollte auf den Korridor treten, doch im nächsten Moment hielt er inne, da ihm Pater Gregor gegenüberstand.
    »Wie ich sehe, habt Ihr mir die Mühe abgenommen, die Tür aufzuschließen«, sagte Vigan. Ohlin antwortete nicht, und so fügte Vigan an: »Ihr hättet Euch die Mühe sparen können. Ich habe meinen Gast inzwischen von Eurer Anwesenheit unterrichtet, und er wünscht, mit Euch zu sprechen.«
    »Er will mit mir sprechen?« fragte Ohlin ungläubig.
    Vigan nickte und zog eine unwirsche Miene. »Mir gefällt das nicht, aber ich beuge mich diesem Wunsch.« Er drehte sich um und trat den Korridor entlang. Ohlin gab Anneke ein Zeichen mitzukommen, und so folgten sie dem Jesuiten in das Obergeschoß, wo sie durch einen Vorraum eine größere Kammer betraten.
    In einem breiten Kamin prasselte ein Feuer und warf ein flackerndes Licht auf die fünf Gestalten, die ihre schmutzigen Mäntel und Hüte abgelegt hatten. Vier der Männer waren großgewachsen und wirkten sehr kräftig. Vor allem ein bulliger Kerl mit einer ledernen Augenklappe, der die anderen Männer wohl um Haupteslänge überragte, kam Anneke wie ein Riese vor. Alle vier waren mit Degen und Pistolen bewaffnet, nur die fünfte Person in ihrer Mitte, ein zierlich gebauter Knabe, trug keine Waffen bei sich.
    Als Anneke und Ohlin eintraten, stand dieser Jüngling |185| halb von ihnen abgewandt und wechselte einige Worte mit seinem Nebenmann. Nun drehte er sich zu ihnen um, und als er Ohlin sah, lächelte er. Ohlin hingegen gab nur ein japsendes, überraschtes Geräusch von sich und kniete nieder.
    Anneke blieb stehen und versuchte zu begreifen, was hier vor sich ging. Der kniende Ohlin senkte demütig den Kopf, während der Jüngling einen Schritt auf ihn zumachte und freudig dessen Namen ausrief. Dann faßte er Ohlin am Arm und forderte ihn auf, sich zu erheben. Anneke stockte der Atem, als der junge Mann Magnus Ohlin schließlich auf den Mund küßte. Ohlin ließ es geschehen, obwohl Anneke ihm anmerkte, wie unangenehm ihm diese Situation war. Auch Gregor Vigan schaute mit einem Ausdruck der Verlegenheit zur Seite.
    Anneke hingegen blickte dem Jüngling ins Gesicht, und plötzlich kam ihr etwas in den Sinn, das Ohlin ihr während der Fahrt nach Münster gesagt hatte.
    Sie hat wenig Frauliches an sich. Man könnte sie gar für einen Mann

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