Die Falken Gottes
Aufmerksamkeit mit einem Lächeln.
»Bring uns die Verbände und braue den Sud aus den Kräutern, die ich dir genannt habe«, sagte Svante zu der jungen Magd, die beflissentlich nickte und wohl äußerst erleichtert war, die Kammer verlassen zu dürfen. Während sie Svante bei der Behandlung seiner Wunde zur Hand gegangen war, hatte ihr Mienenspiel keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wie sehr sein Zustand sie anwiderte.
Das Mädchen schloß die Tür hinter sich. Svante setzte sich zu ihm auf das Bett. Endlich waren sie allein.
»Der Kräutersud wird Euch stärken«, meinte Svante, und es klang überzeugend. Dahlgren wußte, daß dies keine Floskel war. Schon als junges Mädchen hatte Svante sich |247| hervorragend auf die Wirkung heilender wie auch todbringender Pflanzen verstanden. Im Hof ihres Elternhauses hatte sie neben ihren prachtvollen Rosen auch mehrere Kräuterbeete gepflegt, die in größerer Vielfalt als manch ein Klostergarten bestückt gewesen waren. Sie hatte dort unter anderem Minze, Odermennig, Ebenraute, Quendel und Mäusedorn gepflanzt – Kräuter, mit denen sich Krämpfe, Entzündungen oder Katarrhe lindern ließen –, aber auch Pflanzen wie Fingerhut, schwarzer Nachtschatten, gefleckter Schierling, Stechapfel und Bilsenkraut hochgezogen. Als er sie einmal gefragt hatte, warum sie die gefährlichen Kräuter anbaue, hatte sie ihm nur zur Antwort gegeben, daß Gott diese Pflanzen nicht in die Natur gegeben hätte, wenn sie nicht von Nutzen für die Welt wären.
Nur er, ihr Lehrer, war von Svante in ihr Interesse für diesen sehr besonderen Teil ihres Gartens eingeweiht worden, und Dahlgren wiederum hatte ihr Vertrauen damit vergolten, daß er sie seine Überzeugungen gelehrt und sie mit der Lehre der Prädestination und Gottes heiligem Plan vertraut gemacht hatte. Svante hatte seine Worte wie eine Saat aufgenommen, und in ihrem Herzen war eine neue Pflanze gewachsen, die weder tötete noch heilte, sondern die blühende Erkenntnis entfaltete, daß Gott auch sie eines fernen Tages zu seinem Werkzeug machen würde.
Svante strich vorsichtig ein wenig Salbe auf die Wunde und schaute ihn fragend an.
»Ein Pistolenschuß«, sagte Dahlgren. Seine Stimme klang noch immer krächzend. Er zögerte kurz, dann fügte er an: »Ich vermute, es war dein Mann, der die Waffe auf mich gerichtet hat.« Dahlgren war sich dessen nicht sicher. Er hatte Magnus Ohlin niemals zu Gesicht bekommen, aber der Kerl, der auf dem Bock der Kutsche gesessen und auf ihn geschossen hatte, war nicht wie die Gardisten gekleidet gewesen. Und da Ohlin am Tag zuvor im Kolleg aufgetaucht |248| war, erschien es ihm logisch, daß er der Königin zur Flucht verholfen hatte.
»Ich habe versucht, ihn aufzuhalten«, sagte Svante leise. »Die Dosis des Giftes war zu gering.« In ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich wollte nicht, daß er stirbt.«
»Gräme dich nicht.« Es mißfiel ihm, sie so niedergeschlagen zu sehen. Svante trug keine Schuld daran, daß Ohlin von der Reise der Königin erfahren hatte.
»Warum kann nicht alles wieder so sein wie damals in Järköping«, meinte Svante.
Dahlgren berührte ihren Arm und zwang sich zu einem Lächeln. Er hatte Svante zwei Jahre lang im Haus ihrer Eltern in Järköping unterrichtet. An drei Tagen in der Woche hatte er Svante in ihrer Kammer oder in einem Gartenpavillon neben Mathematik, Grammatik und Geschichte auch die Pflichten erläutert, die Gott den Menschen auftrug, um die wahre Lehre seiner Worte zu verteidigen und sich den papistischen Irrlehren zu widersetzen.
Svante war seinen Ausführungen stets mit höchster Konzentration gefolgt. Obwohl dieses blasse, zierliche Mädchen noch fast ein Kind gewesen war, hatte sie schneller begriffen, was Gott von den Menschen verlangte, als jeder andere seiner Schüler. Und sie hatte sich auch nicht von ihm abgewandt, als man ihn im Karzer von Stockholm für seine Überzeugungen in Ketten gelegt hatte.
»Ihr wart immer mehr als ein Lehrer für mich«, sagte sie nun. »Dank Euch habe ich verstanden, wie nah uns Gott ist.«
»Nur denen, die bereit sind, seine Worte mit Feuer und Schwert zu verteidigen.« Dahlgren schloß kurz die Augen. »Wirst du den letzten Schritt mit mir gehen, meine Sonne?«
»Was meint Ihr damit?«
»Es ist möglich, daß dein Mann bald hier eintreffen und die Verräterin in dieses Haus führen wird. Königin Christina darf nicht nach Schweden zurückkehren.«
|249| Ihr Blick schweifte kurz ins Leere, dann nickte sie.
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