Die Falken Gottes
Malin Sörenstam saß zu ihren Füßen und strich mit einer Pfauenfeder, die sie wohl aus seinem Hut gezogen hatte, über Christinas Waden. Das Bild erinnerte Magnus an die Tage, die er mit Christina am Stockholmer Hof verbracht hatte. Auch dort hatte sie viel Zeit in ihren |256| Gemächern verbracht, wo sie häufig mit ihren Kammerfrauen und Verehrern geturtelt und gescherzt hatte. Für die Königin war es nie von Bedeutung gewesen, ob sie die Zärtlichkeiten eines Mannes oder einer Frau genoß, und darum überraschte es Magnus auch nicht, daß sie nun mit einem Lächeln ihre Hand zu ihm ausstreckte und ihn bat: »Kommt zu uns! Ihr könnt meine Arme streicheln.«
»Mir steht nicht der Sinn nach einer
ménage à trois,
Majestät«, lehnte er ab. »Laßt uns offen miteinander reden.«
Die Königin richtete sich ein wenig auf. »Worüber denn?« fragte sie
Magnus zog einen Schemel heran und setzte sich. »Ich suche nach Antworten.« Er schaute zu Malin Sörenstam, die recht nüchtern dreinblickte. »Wer ist Ove Dahlgren? Und verschont mich mit dem Vorwurf, ich würde im Auftrag dieses Mannes handeln. Den Namen Dahlgren habe ich nie zuvor gehört.«
»Dann ist es wohl besser, er bleibt ein Unbekannter für Euch«, meinte Christina.
Magnus schüttelte entschieden den Kopf. »Dahlgren ist dafür verantwortlich, daß ich vergiftet wurde und daß man mit einem Messer auf mich eingestochen hat. Er bedroht das Leben der Königin und hat wahrscheinlich einen Spion in meinen Haushalt geschickt. Ich sorge mich um meine Frau, und darum glaube ich, daß ich jedes Recht habe, mehr über den Mann zu erfahren.«
»Magnus hat bewiesen, daß er sein Leben für mich geben würde, Malin«, meinte die Königin. »Ihr solltet ihm von Dahlgren berichten.«
Malin Sörenstam verzog das Gesicht. Magnus hatte den Eindruck, als würde sie es vorziehen, sich eher die Zunge herausschneiden zu lassen, bevor sie ihr Wissen an ihn preisgab, doch nach einem Moment des Zögerns erklärte sie: »Ove Dahlgren ist ein religiöser Eiferer. Er steht in |257| Schweden einer Gemeinschaft vor, die sich ›Die Falken Gottes‹ nennt. Der schwedische Geheimdienst hat in Erfahrung gebracht, daß diese im Grunde recht unbedeutende Gemeinschaft nicht viel mehr als drei Dutzend Anhänger zählt. Doch die ›Falken Gottes‹ sind bereit, ihr Leben für ihre fehlgeleiteten Überzeugungen hinzugeben, und das macht sie gefährlich.«
»Welche Ziele verfolgen diese Eiferer?« wollte Magnus wissen.
»Ihre selbstzerstörerische Gottestreue ist aus einem radikalen Calvinismus hervorgegangen. Während jedoch der Calvinismus die Lehre vertritt, daß durch die göttliche Gnadenwahl einige Menschen zur Seligkeit, andere hingegen zur Verderbnis bestimmt worden sind, sehen sich die ›Falken‹ als eine Elite, die von Gott erwählt worden ist, über seine Bestimmung zu wachen und diese mit Waffengewalt zu verteidigen.«
»Der Falke ist das Symbol der Aggressivität und des Kriegerischen«, sagte Magnus. »Ist das der Grund, warum sich diese Gemeinschaft ›Die Falken Gottes‹ nennt?«
»Vielleicht. Aber in den Dokumenten der ›Falken‹ findet sich immer wieder die lateinische Anmerkung
Post tenebras spero lucem.
Ein mit einer Haube verhüllter Falke symbolisiert die Hoffnung auf das die Dunkelheit erhellende Licht. Man kann ihre Ziele am ehesten mit den Lehren der Monarchomachen vergleichen, die im vergangenen Jahrhundert großen Anteil an dem Aufstand der Calvinisten in den Nordprovinzen der spanischen Niederlande hatten. Diese Monarchenbekämpfer fassen die Taufe und das Abendmahl als einen Eid auf, Gott Gehorsam zu geloben und gegen jede Obrigkeit, die Gottes Wort mißachtet, Widerstand zu leisten.«
Magnus schaute zu Christina. »Und das schließt wohl selbst den Mord an Königen mit ein.«
|258| Malin Sörenstam nickte. »Die ›Falken Gottes‹ verachten den Katholizismus und mißtrauen ebenso den gemäßigten protestantischen Lehren.«
»Was wißt Ihr noch über diesen Dahlgren?«
»Nur das, was in den Akten des Geheimdienstes über ihn zu finden ist. Er stammt aus der Hafenstadt Kalmar, wo sein Vater die Stellung eines Assessors am Gericht innehatte. Ove Dahlgren schloß sich in jungen Jahren dem Militär an und folgte der schwedischen Armee auf ihrem deutschen Feldzug. Etwa vier Jahre später kehrte er nach Schweden zurück. Man nimmt an, daß er fortan als Lehrer beschäftigt wurde und die Kinder mehrerer wohlhabender Familien unterrichtete. Zu dieser
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