Die Falken Gottes
tauchte einen Lappen in das Wasser, wischte das Blut von der Wunde ab und betrachtete die Verletzung. »Der Schnitt geht nicht tief«, meinte sie. »Aber ich werde ihn trotzdem nähen müssen.« Als Ohlin das Gesicht verzog und aufstöhnte, fügte sie an: »Dankt Gott, daß dieser Kerl seinen Dolch nicht eine Handbreit näher zu Euren Hoden geführt hat. Euer Ruf als Verführer der Frauen hätte fortan gewiß gelitten.«
»Welche Verschwendung«, scherzte die Königin, doch Ohlin, der noch immer krampfhaft bemüht war, mit den Händen seine Blöße zu bedecken, war anscheinend nicht nach Lachen zumute.
»Ich will nicht, daß Ihr meine Wunde behandelt«, sagte er |241| zu Malin Sörenstam und deutete mit dem Kinn zu Anneke. »Sie soll das machen.«
»Das kann ich nicht.« Anneke hob abwehrend die Hände. »Ich habe noch nie eine Wunde genäht und würde Euch gewiß mehr schaden als nutzen.«
»Ihr vertraut mir noch immer nicht.« Malin Sörenstam schaute Ohlin vorwurfsvoll an.
»Ich will glauben, daß Euch das Wohl der Königin am Herzen liegt«, sagte Ohlin. »Mich hingegen möchtet Ihr vielleicht aus dem Weg schaffen. Ihr seid eine Giftmischerin. Womöglich streut Ihr heimlich giftige Kräuter in meine Wunde, um das Werk zu vollenden, das Euch in Osnabrück mißlungen ist.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Wollt Ihr abstreiten, daß Ihr den Schierlingsamen in meinen Wein gefüllt habt, an dem Tag, als Ihr unter einem falschen Vorwand in mein Haus eingedrungen seid?«
Sie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Es ist wahr, ich habe Euer Haus unter einem falschen Vorwand betreten, und ich habe mich in Eure Kammer geschlichen, wo Ihr mich überrascht habt. Ich habe Euch verprügelt – aber ich hatte niemals die Absicht, Euch zu töten.«
»Das ist eine Lüge«, knurrte Ohlin.
»Ich glaube ihr.« Die Königin erhob sich, trat zu Malin Sörenstam und nahm ihre Hand. »Ich kenne Malin seit Jahren. Sie ist keine heimtückische Giftmörderin. Ihr müßt Euch irren.«
Ohlin schnaufte abfällig. »Wer sonst sollte mir das Gift verabreicht haben?«
»Jemand aus Eurem Haushalt?«
»Aus meinem Haushalt?«
Malin Sörenstam nickte. »Bedenkt, wie einfach es für mich war, unter falschem Namen eine Anstellung im Haushalt |242| eines der schwedischen Hauptgesandten zu erlangen. Gibt es jemanden unter Eurem Gesinde, der Euch im nachhinein auffällig erscheint und der vielleicht ein besonderes Interesse daran gezeigt hat, Euer Vertrauen zu erlangen?«
»Teufel auch! So jemanden gibt es«, stöhnte Ohlin, und sein Gesicht wurde fahl, als er den Namen aussprach, der auch Anneke sofort in den Sinn gekommen war.
»Ebba. Es könnte Ebba sein.«
|243| Kapitel 24
Ove Dahlgren war kaum bei Besinnung. Er dämmerte in einem Delirium des Schmerzes dahin, klammerte sich verzweifelt an den Hals seines Pferdes und spürte jede Bewegung in seiner zertrümmerten Schulter wie ein Beben. Zweimal war er auf die Straße gestürzt und hatte befürchtet, der Tod würde ihn von der Welt holen. Doch der allmächtige Gott bewahrte ihm die Lebenskraft. Lange hatte Dahlgren gekrümmt auf der Erde gelegen und nach Luft gejapst wie ein alter Hund, bevor er trotz der unerträglichen Schmerzen erneut aufgestiegen war und den Weg fortgesetzt hatte.
Dahlgren konnte nicht mehr abschätzen, wie viele Stunden er so auf dem Rücken des Falben kauerte, während der in einem gleichmäßigen Takt seine Hufe setzte. Irgendwann passierte er eine Dorfschenke und überlegte kurz, ob er sich in die Obhut der Wirtsleute begeben sollte, um neue Kraft zu schöpfen. Vielleicht hätte er diesen Gedanken tatsächlich in die Tat umgesetzt, wenn sich jemand auf dem Hofplatz befunden und ihn bedrängt hätte, in seinem Zustand eine Rast einzulegen. Doch weder vor dem Haupthaus noch bei den Ställen ließ sich ein Mensch blicken, und so trabte sein Pferd einfach daran vorbei.
Das letzte Stück des Weges wurde zu einer Tortur. Dahlgrens Kehle war ausgetrocknet. Seine Beine fühlten sich taub an, die Wunde in seiner Schulter brannte hingegen so gräßlich, als habe jemand eine glühende Kohlenpfanne darüber ausgeschüttet. Er verlor den Glauben daran, daß er in diesem Zustand Osnabrück erreichen würde. Das Verlangen, |244| die Augen zu schließen und zu sterben, erschien ihm als schier übermächtige Verlockung.
Als jedoch die Dämmerung hereinbrach, konnte er in der Ferne eine Stadt ausmachen. Osnabrück. Dahlgren dankte
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