Die Falken Gottes
»Sagt mir, was ich tun soll!«
»Dein Mann darf auf keinen Fall Verdacht schöpfen. Wer weiß davon, daß ich mich hier aufhalte?«
»Die Köchin hatte das Haus bereits vor Eurem Eintreffen verlassen«, erwiderte Svante. »Sie verbringt die Nacht bei ihrer Familie in der Neustadt. Das einzige Problem …«
In diesem Moment klopfte es an der Tür, und die Magd trat mit gefalteten Tüchern und einem Zinnpokal ein. Sie reichte Svante den Pokal, legte die Tücher auf dem Tisch ab und bedachte Dahlgren einmal mehr mit einem recht furchtsamen Blick.
Svante dankte der Magd und schickte sie fort. Als das Mädchen die Kammer verlassen hatte, schaute Dahlgren besorgt zur Tür und dann zu Svante, die offenbar seinen Gedanken folgen konnte.
»Ich werde eine Lösung finden«, sagte sie leise.
|251| Kapitel 25
Die Nacht war sternenklar. Nun, wo der Sommer allmählich in den Herbst überging, wurden die Nächte kühler, doch Anneke genoß den auffrischenden Wind, der über ihr Gesicht strich, und die beruhigende Stille, die nur ab und an durch den Ruf eines Waldkauzes unterbrochen wurde. Sie hatte sich auf der Holzbank am Brunnen niedergelassen und eine Weile ihren Gedanken nachgehangen. Wenn sie die Augen schloß, rauschten viele Bilder durch ihren Kopf. Die Reise nach Münster, das Jesuitenkolleg, die überstürzte Flucht und der Angriff auf die Kutsche – all dies war mit intensiven Gefühlen verbunden, und auch wenn viele der Empfindungen mit Angst und Schmerz einhergingen, verspürte sie doch eine tiefe Melancholie, wenn sie die Augen öffnete und über die Schulter zur altvertrauten Schenke hinüberblickte. Entstand unweigerlich ein Band zu den Personen, mit denen man die Gefahr teilte? In den vergangenen Tagen hatte Anneke zum ersten Mal um ihr Leben gebangt, und sie hatte mitangesehen, wie Menschen gestorben waren. Doch trotz allem hätte sie die aufregende Zeit nicht missen wollen, und der Gedanke, daß Königin Christina, Malin Sörenstam und Magnus Ohlin ohne sie abreisen und für immer aus ihrem Leben verschwinden würden, machte sie traurig.
Mittlerweile fröstelte es sie immer mehr. Sie wollte aufstehen und ins Haus gehen, doch als Magnus Ohlin um die Hausecke getreten kam und auf den Brunnen zusteuerte, blieb sie still sitzen.
Der Schwede zog einen Eimer an der quietschenden Winde nach oben, krempelte die Ärmel seines Hemdes auf |252| und wusch sich die Hände und die Unterarme. Anneke verfolgte im Mondlicht jede seiner Bewegungen. Ihr war klar, daß sie Ohlin schon bald schmerzlich vermissen würde, auch wenn sie so lange Zeit eine schlechte Meinung über ihn gehabt hatte. Sie mußte daran denken, wie er sie aus dem Würgegriff von Kjell Ekholm befreit und sich, ohne zu zögern, schützend vor sie gestellt hatte, als die Königin im Kolleg angegriffen worden war.
Erst nach einer Weile bemerkte Ohlin, daß sie ihn beobachtete. »Was machst du hier?« fragte er.
»Nach all der Aufregung suche ich die Ruhe der Nacht«, meinte Anneke. Sie schaute in die Richtung, aus der Ohlin gekommen war. »Und Ihr? Habt Ihr die Leiche des Kutschers in den Stall geschafft?«
Er nickte. »Ich habe den Knecht angewiesen, Karl aus der Kutsche zu tragen und ihn im Stall niederzulegen. Die Wirtin hat uns eine Leinendecke zur Verfügung gestellt, die wir über den Toten ausgebreitet haben.«
»Was soll mit der Leiche geschehen?«
»Wir lassen sie zunächst hier zurück. Es wäre nicht klug, in Osnabrück Aufsehen zu erregen, wenn wir die Identität der Königin geheimhalten wollen.«
»Er kann doch nicht ewig dort im Stall liegenbleiben.«
»Natürlich nicht. Karl war zwar nicht verheiratet, aber sein Bruder lebt in Osnabrück. Ich werde ihn über diesen tragischen Vorfall in Kenntnis setzen, sobald ich Königin Christina zu Salvius geschafft habe.«
Ohlin knöpfte sein Hemd auf. Anneke konnte den Verband an seiner Hüfte erkennen.
»Tut es noch weh?« wollte sie wissen.
»Es ist auszuhalten. Diese Malin Sörenstam scheint ein Händchen für die Behandlung solcher Verletzungen zu haben.«
Anneke wies zum Haupthaus. »Ihr habt sie mit der Königin |253| alleingelassen. Anscheinend ist Euer Mißtrauen ihr gegenüber verschwunden.«
Ohlin tauchte seine Hände in den Eimer und rieb sich das Wasser über den Hals und die Brust. »Ich mag sie nicht«, sagte er. »Aber ich glaube ihr, daß sie um das Wohl der Königin ehrlich besorgt ist.«
»Also glaubt Ihr auch, daß nicht sie das Gift in Euren Wein gefüllt
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