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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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Barde der O’Malleys trug Granuailes Stammbaum vor.
    Erst als das keltische Ritual vollzogen war, wurde der katholische Priester zugezogen, und Granuaile heiratete Donal ein zweites Mal im Augustinerkloster von Belclare, das die O’Malleys hundert Jahre zuvor erbaut hatten und in dem nebst anderen Schätzen die Glocke des heiligen Patrick verwahrt wurde.
    Granuaile und Donal traten vor den Altar, und die bunten Glasfenster zauberten die Farben des Regenbogens auf die Steinfliesen.
    Als sie die Kirche in einem Regen aus Blumen verließen, wünschte sich Granuaile, das Land ihrer Kindheit nie verlassen zu müssen.
    Sie betrat die Eingangshalle von Bunowen und zog als Schlossherrin in den kalten, grauen Steinbau ein. Als Erstes fiel ihr auf, dass es weder Vorhänge noch Teppiche gab. An den frisch gekalkten Wänden hingen mit Efeu verzierte Hirschgeweihe, Säbel und andere Waffen.
    Im Kamin loderte ein Feuer. Und trotzdem fröstelte sie, als sie durch die Halle schritt, in deren Mitte ein riesiger Eichentisch stand.
    Dass Donals Untertanen ein humorloses Volk waren, begriff sie bereits beim Begrüßungsbankett, das zu ihren Ehren ausgerichtet wurde: Lammrücken, Lachs, Rindersteak, Wirsing mit Speck, Apfelmus, Pfannkuchen mit Honig und zu allem viel Wein.
    Das Essen schmeckte ihr, aber der Hausbarde taugte nichts, Musik gab es keine. Es wurde nicht getanzt, und als sie später Donal gegenüber die traurige Weise des Barden beklagte, entließ er diesen, ohne einen anderen an seine Stelle zu berufen. Er gebe sein Geld lieber für zusätzliche Krieger aus, ließ er seine junge Frau wissen.
    Granuaile schlägt das Otterfell zurück und stößt das Fenster auf. Der Wind bläst ihr ins Gesicht. Die eisige Luft brennt in ihren Lungen. Sie darf die Kälte, den Schmerz nicht zulassen.
    Als Kind ist sie mitten im Winter nackt in der Clew Bay geschwommen. Sie hat es sich selber beigebracht; niemand außer ihr konnte schwimmen, niemand außer ihr hatte es zu ihren Lebzeiten je versucht. Im Notfall war es besser zu sinken wie ein Stein. Schnell sollte der Tod zur See kommen, wenn er denn kommen musste.
    Aber Granuaile fürchtete sich nicht vor dem Ertrinken. Sie schwamm, als könne ihr der Atlantik nichts anhaben.
    Tagelang spielte Granuaile als Kind allein an den Stränden von Clare Island. Kletterte über die runden Steine zu den Seehunden, untersuchte angeschwemmte Walknochen, sammelte Muscheln, die als blaue Trauben von den Felsen hingen, suchte Hexensteine.
    Und fand eine Seebohne.
    Sie trug die fremde Frucht lange in ihrem Strumpf mit sich herum, öffnete sie schließlich mit einem spitzen Stein. Im Innern fand sich ein bleicher Kern, zwei fleischige, weise Blätter.
    Verwundert zeigte sie ihre Entdeckung den Mönchen, die ihr erklärten, diese Pflanze gebe es in Irland nicht. Dass der Samen wohl von sehr weit her an den Strand geschwemmt worden sei.
    Aus einem Land hinter dem Horizont.
    Die Seebohne gesellte sich zu China und dem feuerspeienden Drachen, und Granuailes Fernweh wuchs.
    Im Sommer, als sie elf Jahre alt wurde, plante ihr Vater eine ausgedehnte Seereise nach Spanien und Portugal. Für die Fahrt über den Golf von Biscaya ließ er seine Segelschiffe mit Proviant, Salzfisch, Rinderhäuten und Wolle bepacken und die Galeeren zur Begleitung der Handelsschiffe aufrüsten. Er schwärmte vom Segeln auf offenem Meer, von alten Bekannten im Süden.
    Und Dubhdaras Enthusiasmus war ansteckend.
    Während die Schiffe beladen wurden, bettelte Granuaile, ihn begleiten zu dürfen. Er beobachtete sie heimlich, staunte über ihre Kraft, ihre Begeisterungsfähigkeit. Aber ihre Mutter war dagegen, das Mädchen an Bord zu lassen. Sie warf ihrem Mann vor, dass er die Tochter in eine Galeere gesetzt, mit Rudern und Segeln hatte spielen lassen. Damit habe er sie auf falsche Gedanken gebracht.
    Frauen hätten zu Wasser nichts verloren.
    Dubhdara gab klein bei, Granuaile nicht.
    In der Nacht, bevor ihr Vater mit seiner Flotte ablegte, schnitt sie sich die Haare ab und versteckte sich im Frachtraum des Flaggschiffes.
    Sobald die Flotte die Clew Bay verlassen hatte und zu weit gesegelt war, um noch umzudrehen, kroch sie aus ihrem Versteck und machte sich mit den Schiffsjungen an die Arbeit. Sie wollte keine Sonderbehandlung, weder als Mädchen noch als Tochter des Chieftains. Sie wollte das Handwerk des Segelns von der Pieke auf lernen, Seemann wollte sie werden und die Welt entdecken.
    Die Welt erobern.
    Sie lernte schnell, und so

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