Die Falken und das Glück - Roman
drei schäbigen Galeeren hatte er am Pier von Belclare angelegt, und als er von Bord ging, fiel ihr als Erstes auf, dass er einen Kopf kleiner war als die O’Malley-Männer. Selbst ihr reichte er nur bis ans Kinn. Sein Mund war so schmal, dass sie sich nicht vorstellen konnte, wie er damit jemals lachen sollte.
Ihrem Vater hatte sie gesagt, der Bewerber sehe aus wie einer, der sein Haferbrot gerne auf beiden Seiten mit Honig bestreicht.
Halt dein Mundwerk im Zaum, Tochter, warnte Dubhdara, und sie schwieg.
Das Land der O’Flahertys umfasste Connemara und somit einen großen Teil des irischen Westens. Im Südosten erstreckten sich die weitverzweigten Gewässer des Lough Corrib, es war von Hochmooren, Seen und Sümpfen und Bächen umgeben. Felsige Hügel wechselten sich mit Tälern ab, durch die sich undurchdringliche Wälder zogen. Ihre Ländereien bestanden aus Wasser, Stein und Wildnis; auch die flacheren Gebiete ließen sich kaum erschließen. Auf ihren kargen Feldern gediehen nichts als Felsbrocken, Steine und immer neue Steine, die nach jedem Gewitter aus der Erde brachen. Aber Donal und seine Krieger kannten jeden Hinterhalt. Sie wussten die Tücken der rauen Landschaft zu ihren Gunsten zu nutzen. Die O’Flahertys hatten sich darauf spezialisiert, benachbarten Clans mit fruchtbaren Weiden die Rinder abzujagen.
Das Vieh der O’Malleys jedoch war tabu.
Außer den steinigen Ländereien besaßen die O’Flahertys zwei Burgen: Bunowen am Slyne Head, dem westlichsten Punkt von Connaught, eine Festung aus behauenen Granitblöcken, geschützt von einer massiven Einfriedung. Das Schloss konnte nur über die gut getarnte Bunowen-Bay erreicht werden, aus der ein Meeresarm nordwärts führte, der bei Flut schiffbar war und den Bunowen-River in sich aufnahm, welcher vor der Einfriedung vorbeifloss.
Das bescheidenere, dafür noch besser getarnte Ballinahinch lag fünfzehn Meilen nördlich von Bunowen, am Fuß des Beanna-Beola-Gebirges. Zwischen dessen zwölf Gipfeln und der Burg erstreckte sich ein kleiner See, dem der lachsreiche Owenmore River entsprang. Der Fluss konnte mit Curraghs befahren werden und war die einzige Verbindung zwischen den zwei Wohnsitzen der O’Flahertys.
Aber Donals Leute hatten kein Auge für die fetten Fische, die jeden Frühsommer zum Laichen flussaufwärts zogen.
Die O’Flahertys waren seit Jahrzehnten Kriegsverbündete der O’Malleys, und eine Hochzeit der beiden Erben Donal und Granuaile konnte ihre Freundschaft und ihre Macht nur stärken: Dem weitsichtigen Dubhdara war nicht entgangen, dass die englischen Ver walter langsam, aber stetig gegen Westen vorrückten.
Die Neuansiedlung von Engländern in den Grafschaften Laois und Offaly war in den vergangenen Jahren zügig vorangeschritten; von dort breiteten sie sich unaufhaltsam über die fruchtbaren Midlands aus.
Der hitzköpfige junge Donal sei der wahrscheinlichste Nachfolger des O’Flaherty-Chieftains, wurde Dubhdara nicht müde, seiner Tochter Granuaile zu versichern. Donal werde nach altem gälischem Brauch dereinst über ganz Connaught herrschen.
Vor allem aber gab es in Bunowen einen tiefen Hafen, der dem O’Malley-Chieftain durch die Heirat seiner Tochter in die Hände fiele. Mehrfach äußerte er seine Zuversicht, Donals Charakter werde sich festigen, sobald er eine Familie gegründet habe, die Probleme mit den Stadtherren von Galway gelöst seien und die Geschäfte wieder ins Laufen kämen.
Über ihrem Kopf poltern die Wachen, es wird vier Uhr morgens sein. Granuaile klaubt ein Stück Bienenwachs von einer Rolle, wärmt es in der Hand und dreht daraus zwei Kugeln, die sie sich in die Ohren presst.
Aber nun hört sie das Wetter nicht mehr, hört nicht mehr, wie der Wind in den Tauen ihrer Schiffe spielt, wie die Wellen am glatten Bug der Karavelle lecken. Und sie hört nicht, was um den Turm herum geschieht.
So kann sie unmöglich schlafen.
Sie nimmt sich das Wachs aus den Ohren.
Sie muss wach bleiben.
Granuaile war sechzehn, als sie Donal heiratete. Sie vermählten sich in der Jahreszeit Beltaine, die im keltischen Kalender für die Fruchtbarkeit steht. Man fällte den größten Baum, der zu finden war, verzierte ihn mit Bändern und Glocken, bevor er vor Granuailes Türe aufgepflanzt wurde, um tanzend um das mächtige Symbol zu ziehen.
Donal und Granuaile teilten einen Teller mit Hafermehl und Salz und hörten die Rechtssprecher ihrer beiden Clans die Heiratsbedingungen des Brehon-Gesetzes verkünden. Ein
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