Die Falken und das Glück - Roman
Verlierer zu sein oder Gewinner. Es ginge darum, ob man das Licht aushielt, wenn man einen Platz an der Sonne ergattert hatte.
Linda gehöre zu den Verlierern, sie stehe wie er auf der Schattenseite, sagte Daniel, da gehöre sie hin.
Denk nur an deine Übersetzung, die hast du nicht mal fertig gemacht!, sagte er.
Sie wollte einwenden, daran sei Pharao schuld, schwieg aber.
Wir sind Versager, sagte Daniel, wir gehören zusammen. Wir zwei Gerechte gegen den Rest der Welt.
Du warst doch schon als Teenager depressiv, behauptete er, hast dich zu Brücken hingezogen gefühlt, zu offenen Fenstern, Kirchtürmen, immer wolltest du davonfliegen, dich aufgeben!
Die ersten Absagen kamen. Daniel ertränkte seinen Frust in billigem Rioja, den sie kistenweise beim Ableger eines deutschen Supermarktes in Galway kauften. Daniel hasste diese Ausflüge aufs Festland. Sobald sie im Auto saßen, begann er zu schimpfen und zu fluchen. Er verfluchte jeden, der vor ihnen fuhr, er verfluchte jeden, der ihn zu überholen wagte. Er verfluchte die schlechten irischen Straßen. Pharao, der sie auf ihren Ausflügen stets begleitete, hechelte auf den Rücksitzen und scharrte mit den Krallen auf dem Polster. Noch bevor die ersten Häuser von Galway auftauchten, waren sie alle drei mit den Nerven am Ende. Daniel verfluchte Linda, die es wieder einmal nicht vermocht hatte, die Übel der Welt fernzuhalten. Er warf Gegenstände nach ihr. Landkarten, Lippenstifte, Parkscheiben, eine losgerissene Sonnenblende flogen durch das Wageninnere. Pharao schnappte danach. Linda öffnete das Fenster, Daniel warf seine Sonnenbrille hinaus. Äpfel folgten, die sie als Proviant mitgenommen hatten. Eine Wasserflasche zerbarst am Pfeiler eines Rotlichtes. Daniel schimpfte und schrie und tobte. Passanten drehten sich um, starrten das verzweifelte Paar an. Ein Polizist tauchte auf. Er schüttelte den Kopf, ging weiter. Pharao streckte seine triefende Schnauze aus dem Fenster und biss in die Luft. Das Licht wechselte auf Grün, Daniel trat das Gaspedal durch, hinterließ eine dicke, schwarze Gummispur auf dem Asphalt.
Vor dem Laden warteten Daniel und Pharao im Auto. Linda beeilte sich, die Weinkisten und Hundefuttersäcke auf den Wagen zu hieven und die in billigem Neonlicht gleißende Halle schnellstmöglich wieder zu verlassen. Als sie zurückkam, kauerte Daniel auf dem Rücksitz, den Kopf an den Hundebauch gedrückt. Pharao hatte eine Pfote um die Schultern seines Herrn gelegt. Linda stapelte die Kisten in den Kofferraum und fuhr los.
Als sie zum Hafen von Louisburgh kamen, hatte sich Daniel so weit beruhigt, dass er sich aus Pharaos Umarmung löste und aus seinem Refugium auf der Rückbank hervorkroch. Er half ihr sogar, die Kisten auf die Fähre zu tragen. Auf der Insel luden sie alles in ihr zweites Auto um. Ihr Leben war umständlich und kompliziert, aber Daniel, der wie die Iren das Meer hasste, ließ sich unter keinen Umständen dazu bewegen, anderswo zu leben.
Zu seinem vierzigsten Geburtstag hatte Linda Daniel eine Boje aus grünem Glas geschenkt. Ein Fauxpas, den er ihr nicht verzeihen würde.
Eine Boje, damit du nie untergehst!, hatte sie gesagt.
Er warf die Boje in den Garten hinaus, so beleidigt war er, dass sie auf seine Schwäche anspielte. Nein, er konnte nicht schwimmen, und er wollte es auch nicht lernen.
Sowieso mochte er ihre Geschenke nicht, egal, was sie sich alles ausdachte. Die Geburtstagsgeschenke waren immer falsch. Schenkte sie ihm Kleider, sah er darin Anspielungen, dass ihr sein bisheriger Stil nicht gefalle. Schenkte sie ihm Musik, bewies sie ihren schlechten Geschmack. Einmal kaufte sie ihm ein Parfum, worauf er erschrocken fragte, ob er denn nicht gut rieche. Und als sie beschloss, ihm nichts mehr zu schenken, war er auch darüber beleidigt. Linda zog die Schultern hoch, sie zog den Kopf ein wie eine Schildkröte, stets auf der Hut, stets gefasst auf den nächsten Wutanfall. Denn irgendetwas war immer falsch, so sehr sie sich anstrengte, es genügte nicht. Wenn sie nicht stritten, fand er Fehler, um einen Streit zu beginnen. Sie brauchte nur beim Einkaufen etwas zu vergessen, den Tank nicht zu füllen oder ihn bei der Rückkehr nicht sofort zu küssen und sich nach dem Fortkommen seiner Arbeit zu erkundigen. Es genügte, dass sie einen Kuchen mitbrachte. Schon behauptete er, sie mache das nur, damit er dick werde und sie einen Grund habe, ihn zu verlassen. Sie versuchte ihm alles recht zu machen, aber je mehr sie sich
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