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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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heißen Eisen über die Kleidungsstücke, und wie sich die Stoffe glätteten, hatte sie das Gefühl, auch ihre Gedanken gewännen an Klarheit.
    Daniel sah fern. Linda las sich durch seine Bibliothek. Alle paar Tage legte er ihr einen neuen Stapel Fachbücher hin. Stellen, die ihm besonders wichtig erschienen, markierte er mit Post-it-Zettelchen, auf die er Stichworte kritzelte. Unter keinen Umständen durfte man Eselsohren machen oder gar mit Bleistift in ein Buch schreiben. Er machte Linda auch mit Bach und Rachmaninow vertraut, deren Musik er verehrte, und mit der Kunst, die er für beachtenswert hielt. Als hätte sie ihr anfängliches Zögern wiedergutmachen können, ließ sie sich fortan auf alles ein, was er forderte, betete alles nach, was er erzählte. Linda bewunderte seine Arbeit, sie bewunderte ihn und gab sich selber auf. Statt neben ihm zu wachsen, schrumpfte sie in seinem Schatten. In der wachsenden Kluft zwischen ihm und ihr wuchs die Angst, nicht zu genügen. Mit immer neuen Regeln übertönte er ihre Unsicherheit und somit seine eigene. Er sagte ihr, was sie anziehen sollte, er forderte sie auf, sich die Haare wachsen zu lassen. Er sagte ihr, wie sie sich bewegen und mit wem sie reden sollte.
    Vor allem sagte er ihr, mit wem sie nicht reden sollte.
    Im Februar kam Murvin auf die Insel, ein Student aus Galway. Der irische Heimatschutzbund hatte ihn geschickt, um bei der heiklen und sehr aufwändigen Phase der Konservierung zu assistieren. Der junge Mann war schüchtern und zurückhaltend, aber erstaunlich sportlich für einen Altertümler, worüber Daniel nicht zu spotten zögerte. Jeden Morgen lief er seine Runde über die Insel, machte Liegestützen am Strand, auch bei Regen und Sturm. Bei Flut ging er surfen, er hatte mehrere Bretter mitgebracht. Linda sah ihm vom Strand aus zu, wie er über die Wellen segelte, als wäre er schwerelos. Sie freute sich über die Anwesenheit des Assistenten. Endlich war jemand auf der Insel, mit dem sie über Vertrautes reden konnte. Endlich einer, der dieselbe Musik hörte wie sie, der wusste, wer die Kings of Leon waren, der Radiohead kannte und die Red Hot Chili Peppers.
    Daniel reagierte eifersüchtig.
    Ich habe meine Freundschaft zu den besten Schweizer Altertumswissenschaftlern doch nicht aufgegeben, um mich nun mit solchen Dilettanten herumzuschlagen! Hast du gesehen, wie ungeschickt er die Ethylicethylesther-Dispersion aufträgt, es kommt ihm nicht einmal in den Sinn, die Überschüsse mit dem Japanpapier aufzusaugen. Wenn der was taugte, dann wäre er sowieso nicht hier draußen!
    Wir sind aber auch hier, wandte Linda ein.
    Richtig, brauste er auf. Und du bist die größte Dilettantin von allen!
    Linda packte Daniel an den Schultern, schrie ihn an, er solle endlich vernünftig werden, er müsse ihr wenigstens ein Quentchen Luft lassen zum Leben.
    Ich ersticke noch neben dir, sagte sie.
    Daniel stieß sie von sich, Linda packte ihn erneut. Sie rangen und hauten sich, bis sie beide zusammen das Gleichgewicht verloren. Am Boden schlugen sie weiter aufeinander ein. Schließlich lagen sie einander weinend in den Armen. Und dann schliefen sie auf dem Boden der Werkstatt miteinander.
    Das war ich nicht, sagte Daniel beim Frühstück, als er die Beulen an Lindas Armen sah, das hast du absichtlich gemacht, damit die Leute glauben, ich schlage dich.
    Welche Leute, fragte Linda.
    Zieh wenigstens einen langärmligen Pullover an, sagte er.
    Später fand sie auf ihrem Schreibtisch eine vergilbte Postkarte, darauf war ein Paar abgebildet, das sich unter dem Eiffelturm küsste.
    Es tut mir leid, hatte Daniel geschrieben, ich liebe dich.
    Und dann nahm Murvin Linda mit zum Surfen. Er lieh ihr sein zweites Brett und einen alten Tauchanzug. Hinter ihm paddelte sie in die Brandung hinaus, ihre Arme waren viel zu schwach, aber sie ruderte weiter, sie kämpfte sich durch eine Welle und nochmals durch eine, sie schnappte nach Luft, tauchte erneut, ihre Oberarme brannten. Sie versuchte die Luft, die sie nicht ausatmete, in die Muskeln zu pressen, in sich selbst die fehlende Kraft zu finden. Hinter der Brandungslinie fand sie Ruhe, sie lag auf dem Brett, ihr Atem wurde flacher, sanft wiegten sie die Wogen. Sie blinzelte in die schräg stehende Sonne, wo Murvin winkte. Delfine! Sie sprangen, tauchten. Linda stieß einen Schrei aus, Delfine! Ihr Herz raste, sie stieß spitze Schreie aus vor Glück. Frei war sie hier draußen, eins mit dem Meer und dem Himmel und den Tieren.
    Linda lud

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